Fachkräftemangel: Folgen für die deutsche Wirtschaft
Die Wirtschaft leidet unter dem Mangel an qualifiziertem Nachwuchs, der die Konjunktur abwürgen könnte. Bewerber wiederum finden in manchen Berufen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Job.
Das beeinflusst übrigens auch den Bewerbungsprozess: Nicht die Arbeitnehmer werben um die Stelle, sondern die Arbeitgeber um die Fachkräfte. Fahrlässigkeit vonseiten der Bewerber ist trotzdem nicht angesagt, denn der Zustand unserer Wirtschaft geht uns alle etwas an. Die IW-Studie stellte fest, dass zwei Drittel aller offenen Stellen gegenwärtig in Deutschland nur schwer zu besetzen sind.
In Süddeutschland mit seinen Wirtschaftszentren ist die Lage besonders prekär. Die Herausforderungen für die Unternehmen wachsen dadurch immens, denn nicht jeder Mangel an qualifiziertem Personal lässt sich durch Effizienz und Automation kompensieren. Schlimmstenfalls drohen Rückschläge bei der deutschen Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft.
Rund 50 Prozent der vom IW Köln befragten Unternehmen gaben an, ihre Produktionskapazitäten durch fehlende Fachkräfte nicht mehr voll auslasten zu können - und das bei vollen Auftragsbüchern. Besonders betroffen sind kleinere Unternehmen. Bei ihnen bewerben sich zu wenig Fachkräfte, weshalb sie etwa ein Drittel ihrer Stellen nicht oder nicht schnell genug besetzen können. Die Kölner Studie zeigte auch auf, welche Berufe und Berufsgruppen besonders gefragt sind.
Bedarf an Facharbeitern
Den größten Mangel gibt es an Fachkräften mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Zwei Drittel der offenen Stellen sollen mit Facharbeitern besetzt werden. Die Messung nahm das IW Köln mit einem Abgleich von Arbeitsuchenden und ausgeschriebenen Stellen der jeweiligen Branche vor. Sogenannte Engpassberufe werden mit der Prozentzahl der nachfragenden Arbeitsuchenden gekennzeichnet. Beim Rang 1 - den Kältetechnikern - kommen demnach auf 100 offene Stellen nur 21 passende Bewerber. Die Liste der Top 10 sieht im Detail so aus:
- Kältetechnik: Bewerberquote 21 %
- Altenpflege: 22 %
- Mechatronik: 27 %
- Hörgeräteakustik: 28 %
- Bauelektrik: 29 %
- Land- und Baumaschinentechnik: 35 %
- Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik: 35 %
- elektrische Betriebstechnik: 36 %
- Automatisierungstechnik: 40 %
- Gesundheits- und Krankenpflege: 45 %
Bachelor ohne Berufserfahrung, Meister- und Fachschulabschluss
Vor allem die öffentliche Verwaltung sucht Fachkräfte mit diesen genannten Abschlüssen. Der Fachkräftemangel fällt in Einzelsektoren sogar noch extremer als bei den Facharbeitern aus: Teilweise kommen auf 100 offene Stellen nur 11 passende Bewerber. Nur sind die Fallzahlen insgesamt nicht so hoch wie bei den Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung. Wiederum fehlen besonders Spezialisten für den Gesundheitssektor. Auch Fachkräfte, die spezielle Fortbildungen besucht haben und/oder sich für Führungspositionen eignen, werden händeringend gesucht.
Akademische Fachkräfte: Bachelor mit Berufserfahrung, Absolventen mit Diplom oder Masterabschluss
In dieser Gruppe beklagt wiederum die öffentliche Verwaltung die größten Besetzungsschwierigkeiten. Die Bewerberquote liegt bei 21 %, Experten aus den Fachgebieten
- Informatik,
- Mathematik,
- Technik (Mint),
- Naturwissenschaft,
- Versorgung und Entsorgung,
- Tief-, Straßen- und Asphaltbau,
- Elektrotechnik und
- Vermessungstechnik
fehlen am meisten. Das bremst die deutsche Verwaltung und Wirtschaft unter anderem beim Städtebau und bei der Digitalisierung aus. In ländlichen Regionen ist der Engpass im Gesundheitssektor sehr groß. Es fehlen Ärzte, die Fachbereiche Neurologie, Psychotherapie und Psychiatrie sowie psychosomatische Medizin gelten als krass unterbesetzt. Einige Bundesländer - unter anderem Brandenburg - fördern seit einiger Zeit die Ansiedlung von ländlichen Arztpraxen mit günstigen Krediten und Zuschüssen.
Welche Regionen sind besonders betroffen?
Den ersten Rang nimmt Baden-Württemberg ein, das Land hat diese Position schon seit 2011 inne. Es folgen die Länder Thüringen und Rheinland-Pfalz.
Leichte Verbesserungen gibt es in Bayern, allerdings sind hier wiederum regionale Unterschiede auszumachen. Münchner Unternehmen freuen sich derzeit über den Zuzug von Fachkräften, Ingolstadt und Regensburg leiden immer noch unter zu wenig qualifizierten Bewerbern.
In Brandenburg hat sich die Situation verschärft, die gut ausgebildeten Facharbeiter und Akademiker ziehen in die Hauptstadt. Dort können die Unternehmen derzeit am besten ihre offenen Stellen besetzen.
Das wirft auch ein Schlaglicht auf die Ursachen des Fachkräftemangels. Junge Menschen zieht es in die Metropolen, die in Deutschland Berlin, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Düsseldorf heißen. Der demografische Wandel schlägt derzeit schon voll in Ostdeutschland durch, er wird aber in den nächsten Jahren auch Westdeutschland betreffen. Das ist übrigens einer der Gründe, weshalb die deutschen Unternehmen der aktuellen Diskussion um die Flüchtlingspolitik sehr pragmatisch gegenüberstehen: Sie bilden junge Syrer, Iraker und Afghanen aus, weil sie diese als Fachkräfte benötigen.