Berufswahl nach Spaß oder Talent?

Berufswahl nach Spaß oder Talent?

Menschen möchten sehr gern Spaß bei der Arbeit haben, so viel ist klar. Die Berufswahl wird daher oft an dieser Präferenz ausgerichtet, doch das muss nicht richtig sein: Nach jüngsten Studien sind die erfolgreichsten und glücklichsten Berufstätigen diejenigen, die ihren größten Talenten folgen. Diese müssen nicht immer mit der größten Freude am Beruf verknüpft sein. Lernen Sie in diesem Artikel warum das so ist.

  • Ein erfolgreicher Manager verfügt über soziales Geschick und gleichzeitig hohe Fachkenntnisse. Diese hohen Fachkenntnisse müssen nicht einmal auf seinem aktuellen Tätigkeitsfeld zum Einsatz kommen. Doch aufgrund seiner hohen Ausbildung und des sozialen Geschicks kann dieser Manager auch Gruppen von Fachleuten (deren Fähigkeiten er durch seine eigene Fachkompetenz ausreichend respektiert) ausgezeichnet führen. Das ist für ihn sehr anstrengend, doch es ist gleichzeitig sein größtes Talent. Ein gutes Beispiel ist die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel. Sie hat ihren Doktor in Physik gemacht und steckt daher die Halbtalente in ihrem Umfeld locker in die Tasche. Fachleute kann sie gut führen. Spitzenpolitikerin wurde sie aber wegen ihrer Sozialkompetenz. Ihr Talent als Physikerin kennen wir nur ungenügend, ihr politisches Talent hingegen ist unbestritten. Wir glauben aber, dass sie unter dem Fluch ihrer Begabung leidet und wahrscheinlich oft bedauert, für die Physik keine Zeit mehr zu haben.
  • Popmusiker, die Welthits schreiben, wurden fast immer in der klassischen Musik oder im Jazz ausgebildet. Ihre musikalische Passion liegt sehr weit über dem Mainstream, mit dem sie erfolgreich werden. Mit Klassik oder Jazz ist allerdings kaum Geld zu verdienen.
  • Die erfolgreichsten Werbespots, über die wir sogar schmunzeln können, stammen von künstlerisch sehr hochbegabten Menschen. Sie verkaufen sich aber an die Werbung, das ist ihr Talent. Spaß hätten sie mit ernsthafter Kunst. Ist Ihnen aufgefallen, dass sich die Kreativen der Werbebranche niemals namentlich nennen lassen? Sie schämen sich für ihr Talent, Menschen mit künstlerisch gelungenen Spots zu manipulieren. Ein ähnlicher Fall sind Autoren, die elegante Verkaufstexte verfassen, dies aber als jämmerlichen McJob betrachten. Spaß hätten sie wahrlich mit anderen Tätigkeiten.

Die Konsequenz für die Berufswahl lautet: Folgen Sie dem, womit Sie schon immer den größten Erfolg hatten. Sie lieben Musik, können aber mit Worten Ihre Umgebung manipulieren? Dann gehen Sie in die Werbung oder werden Sie Manager. Betreiben Sie die Musik als Hobby und lassen Sie sich dafür achten, wenn Sie der harte Geschäftsalltag anödet.

Wichtige Studie zur Berufswahl

Dass die erfolgreichsten Menschen den größten Spaß bei der Arbeit haben, ist ein schon lange gepflegter Mythos. Doch es bleibt ein Mythos, denn es stimmt einfach nicht. Eine wichtige Studie führte diesbezüglich Christopher Nye durch. Er ist Psychologe an der Uni Michigan und testete für seine im “Journal of Vocational-Behavior“ veröffentlichte Untersuchung die Übereinstimmung von Interessen und der Berufswahl bei 67.000 Personen in 211 Berufen. Natürlich befragte seine Forschergruppe diese Personen nicht persönlich, vielmehr unterzog man ihre Datensätze aus Bewerbungsschreiben und Einstellungsgesprächen dem standardisierten “Strong Interest Inventory”. Daraus ließen sich nun exakte persönliche Neigungen ableiten, die anschließend mit den Neigungen der gesamten Berufsgruppe verglichen wurden. Das erstaunliche Ergebnis lautete, dass Menschen ein und desselben Berufs höchst unterschiedliche Neigungen haben. Nur ihr Interesse für eine bestimmte berufliche Tätigkeit war nahezu deckungsgleich: Mechaniker wollen schrauben, Manager wollen führen, Lehrer wollen unterrichten. Spaß haben sie aber mit höchst unterschiedlichen Tätigkeiten. Manche Mechaniker surfen gern, andere sind Sammler. Manche Manager spielen ein Instrument, andere sind Bergsteiger. Manche Lehrerinnen stricken gern, andere lieben über alles Wanderungen.

Wie wichtig sind Passionen für die Berufsausübung?

Der Forscher Nye vermutet, dass sie bei den meisten Menschen eine eher kleine Rolle spielen. Natürlich gibt es Mitarbeiter in Forschungsabteilungen, die sich schon immer für Physik und Chemie interessiert haben. Alle Orchestermusiker spielten schon als Kind aus Neigung ein klassisches Instrument. Die meisten Pfarrer waren wahrscheinlich schon als Jugendliche sonore Redner. Doch diese gern zitierten Fälle der Passung von Neigung und Passion sind, wenn wir uns umschauen, in Wahrheit die Ausnahme. In der Regel wählen wir Berufe, von denen wir anfangs gar nicht genau wissen, ob sie Spaß machen werden. Wenn wir damit aber erfolgreich sind, macht uns das glücklich. Ein armer Künstler ist ganz sicher nicht glücklicher als ein gut verdienender Manager, der ein künstlerisches Hobby ausübt. Der Psychologieprofessor Aljoscha Neubauer von der Universität Graz bestätigt diese Erkenntnisse. Er empfiehlt aus Resümee aus eigenen Studien, bei der Wahl des Berufs den eigenen Begabungen zu folgen, die einen erfolgreich machen. Dazu hat Professor Neubauer ein Buch veröffentlicht. Es heißt: “Mach, was du kannst“.

Dr.Hans-Peter Luippold

Autor: Dr.Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und Facebook.