Der KI-Wandel als neue industrielle Revolution
KI ist ein Treiber für die Automatisierung von Prozessen, datengestützte Entscheidungen und neue Geschäftsmodelle. Das Potenzial für Produktivitätssteigerungen ist erheblich. Studien deuten auf jährliche Zuwächse von bis zu 3,3 Prozent bis zum Jahr 2030 hin.
Die Auswirkungen von KI sind vielfältig. Die Entwicklung wird von mehreren Faktoren bestimmt, was zu regionalen Unterschieden führt.
- Industriestruktur: Regionen mit starker Fertigungsindustrie wie der Automobilsektor im Süden stehen vor anderen Herausforderungen als Regionen mit Fokus auf Logistik im Norden oder Dienstleistungen in Metropolen.
- Forschung und Bildung: Die Nähe zu Universitäten, Forschungseinrichtungen wie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) oder der Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Verfügbarkeit von Fachkräften sind wichtige Faktoren.
- Digitale Infrastruktur: Der allgemeine Digitalisierungsgrad einschließlich Breitbandausbau und digitaler Kompetenzen bildet die Grundlage für die KI-Adaption. Stadtstaaten und dicht besiedelte Gebiete haben hier Vorteile.
Die regionale Differenzierung ist kein temporäres Phänomen. Es handelt sich um eine strukturelle Entwicklung, die bestehende wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen deutschen Regionen vertiefen könnte. Der Bitkom Länderindex zeigt bereits eine deutliche Kluft in der digitalen Reife zwischen führenden Ländern wie Hamburg und Berlin und anderen Bundesländern wie Thüringen. Da ein hoher Digitalisierungsgrad eine Voraussetzung für die fortschrittliche KI-Nutzung ist, sind starke Regionen besser positioniert, um von den Produktivitätsvorteilen der KI zu profitieren. Das erzeugt eine Rückkopplungsschleife. KI-getriebenes Wirtschaftswachstum konzentriert sich in bereits starken Regionen und zieht mehr Talente und Investitionen an. Das könnte bestehende wirtschaftliche Ungleichgewichte in Deutschland verschärfen.
KI-Verbreitung in Deutschland
Die Daten zur KI-Nutzung in Deutschland zeigen eine dynamische Entwicklung. Laut Statistischem Bundesamt nutzten 2023 12 Prozent der Unternehmen KI. Im Jahr 2024 stieg der Anteil auf 20 Prozent. Eine Umfrage des ifo Instituts von Juni 2024 zeigt einen Anstieg von 13 Prozent im Jahr 2023 auf 27 Prozent im Jahr 2024. Eine Erhebung der Bundesnetzagentur gibt den Anteil von Unternehmen, die KI nutzen, für das Jahr 2024 mit 29 Prozent an. Die Unterschiede lassen sich auf unterschiedliche Erhebungsmethoden und den starken Anstieg der Nutzung generativer KI seit 2023 zurückführen.
Die KI-Nutzung ist in den Branchen unterschiedlich stark ausgeprägt. Führend sind IT-Dienstleistungen (33 Prozent), Beratungs- und F&E-Dienstleistungen (36 Prozent), Banken (34 Prozent) und die Medienbranche (26 Prozent). Auch das verarbeitende Gewerbe (31 Prozent) und der Dienstleistungssektor (28 Prozent) sind wichtige Anwender. Die häufigsten Einsatzbereiche sind die Produktion und Dienstleistungserstellung (45,5 Prozent), die IT (37 Prozent) sowie Marketing und Vertrieb.
Die Entwicklung der Nutzungsraten deutet auf einen wichtigen Wendepunkt hin. Bis 2023 war die KI-Nutzung oft mit komplexen, kapitalintensiven Projekten verbunden, die vor allem Großunternehmen zugänglich waren. Der sprunghafte Anstieg im Jahr 2024 ist wahrscheinlich auf die breite Verfügbarkeit nutzerfreundlicher generativer KI-Werkzeuge zurückzuführen. Diese Werkzeuge haben die Eintrittsbarriere für viele Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), gesenkt. Das hat zu einer Demokratisierung der KI-Nutzung geführt. Die nächste Phase des Wettbewerbs wird sich jedoch nicht mehr nur um die reine Nutzung drehen, sondern um die Tiefe und Effektivität der Integration von KI in zentrale Geschäftsprozesse.
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Unternehmenstyp |
Anteil der Unternehmen, die KI nutzen (2023) |
|
Kleine Unternehmen |
6,4 % |
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Mittlere Unternehmen |
13,0 % |
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Große Unternehmen |
30,4 % |
Tabelle 1: KI-Nutzung in Deutschland nach Unternehmensgröße. Die Daten zeigen eine deutliche Kluft zwischen KMU und Großunternehmen.
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Branche |
Anteil der Unternehmen, die KI nutzen |
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Wissensintensive Dienstleistungen |
50,0 % |
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Verarbeitendes Gewerbe |
31,0 % |
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Dienstleistungen (allgemein) |
28,0 % |
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Handel |
26,0 % |
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Baugewerbe |
16,0 % |
Tabelle 2: KI-Nutzung in Deutschland nach ausgewählten Branchen (2024). Die Daten stammen aus verschiedenen Erhebungen und zeigen eine hohe Adaption in wissensintensiven Sektoren. Quelle: Bundesnetzagentur
Unterschiede zwischen Großstädten und ländlichen Regionen
Beim Einsatz von KI existiert eine Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Unternehmen in zentralen, urbanen Lagen nutzen eher KI als solche in peripheren Regionen. Das deutet auf Nachteile bei Infrastruktur und Fachkräfteverfügbarkeit hin. Der Bitkom Länderindex bestätigt, dass Stadtstaaten bei der Digitalisierung führend sind.
Dieser Index ist eine zentrale Metrik zur Bewertung der regionalen digitalen Reife. Er bewertet die Bundesländer in den Kategorien Wirtschaft, Infrastruktur, Verwaltung und Gesellschaft. Die Gesamtwertung zeigt Hamburg, Berlin und Bayern auf den vorderen Plätzen.
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Rang |
Bundesland |
Indexwert (Gesamt) |
|
1 |
Hamburg |
73,5 |
|
2 |
Berlin |
71,5 |
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3 |
Bayern |
66,9 |
|
4 |
Baden-Württemberg |
64,5 |
|
5 |
Hessen |
64,0 |
|
6 |
Nordrhein-Westfalen |
61,9 |
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7 |
Schleswig-Holstein |
61,2 |
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8 |
Sachsen |
59,5 |
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9 |
Bremen |
59,1 |
|
10 |
Niedersachsen |
59,0 |
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11 |
Brandenburg |
56,6 |
|
12 |
Saarland |
56,1 |
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13 |
Rheinland-Pfalz |
54,1 |
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14 |
Mecklenburg-Vorpommern |
53,2 |
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15 |
Sachsen-Anhalt |
52,2 |
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16 |
Thüringen |
49,6 |
Tabelle 3: Digitalisierungsindex der Bundesländer (Bitkom Länderindex 2024). Der Index bewertet die digitale Reife auf einer Skala bis 100. Quelle: Bitkom Länderindex 2024
Regionen im Fokus: wo der Wandel besonders spürbar ist
In Deutschland entwickelt sich ein Modell mit Zentren und Peripherien für die KI-Entwicklung und -Anwendung. Metropolen wie Berlin und München fungieren als "Hubs", die sich auf die Entwicklung von KI-Grundlagentechnologien und die Gründung von Start-ups konzentrieren. Die industriell geprägten Regionen bilden die Verbindungsglieder oder "Spokes", die KI auf ihre spezifischen Domänen anwenden. Diese Spezialisierung ist effizient, schafft aber auch Abhängigkeiten. Der Erfolg des Gesamtsystems hängt von der Effizienz des Technologietransfers zwischen den Hubs und den Spokes ab. Eine Schwäche der Hubs bei der Entwicklung wettbewerbsfähiger KI könnte die Industrie zwingen, Technologien aus dem Ausland zu importieren. Das würde die digitale Souveränität Deutschlands untergraben.
Süddeutschland – Automobil & Maschinenbau im Umbruch
Bayern und Baden-Württemberg sind industrielle Kraftzentren. Sie belegen die Plätze 3 und 4 im Bitkom Länderindex.
Chancen
KI ist ein Schlüsselelement für Industrie 4.0. Sie ermöglicht vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), Qualitätskontrolle und Prozessoptimierung in der Fertigung. Die Nachfrage verschiebt sich hin zu Ingenieuren mit Kenntnissen in Data Science und maschinellem Lernen. Starke Forschungsnetzwerke wie das Cyber Valley in Baden-Württemberg und das KI-Produktionsnetzwerk in Augsburg fördern den Innovationstransfer von der Wissenschaft in die Industrie.
Risiken
Repetitive Tätigkeiten in der Produktion und an Montagelinien sind stark von Automatisierung bedroht. Die Automobilindustrie befindet sich in einer doppelten Transformation durch Elektrifizierung und Digitalisierung. Deutsche Hersteller müssen KI in das autonome Fahren und in Fahrzeugsysteme integrieren, um global wettbewerbsfähig zu bleiben.
Norddeutschland – Logistik, Hafenwirtschaft & Energie
Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein prägen diese Region. Hamburg ist Spitzenreiter im Bitkom-Index. Schleswig-Holstein und Niedersachsen weisen eine starke digitale Infrastruktur auf.
KI wird zur Optimierung von Lieferketten und zur Vorhersage von Containerströmen in Häfen wie Hamburg eingesetzt, zum Beispiel im Projekt KILOG. In der Windenergie analysieren KI-Modelle Sensordaten von Turbinen für die vorausschauende Wartung, optimieren die Energieerzeugung und senken Kosten. KI wird auch genutzt, um optimale Standorte für neue Windparks zu identifizieren. Schleswig-Holstein fördert gezielt KI-Projekte in diesem Bereich. Die Regionen nutzen KI, um ihre traditionellen Industrien zu modernisieren.
Ostdeutschland – Aufholprozess mit Förderprogrammen
Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg befinden sich im mittleren bis unteren Bereich des Bitkom-Index, zeigen aber in einzelnen Bereichen Stärken.
Es entstehen neue KI-Zentren in Städten wie Dresden (Smart Systems Hub), Leipzig (ScaDS.AI) und Jena (Zentrum für Angewandte KI). Diese Regionen profitieren von gezielten Förderprogrammen des Bundes und der Länder, die Innovationen und digitale Kompetenzen in KMU fördern sollen. Das Ziel ist, durch die Förderung einer Start-up-Szene und spezialisierter Cluster den Anschluss an führende Regionen zu finden.
Westdeutschland – Industrie und Dienstleistungen im Wandel
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland bilden eine diverse Industrieregion. NRW belegt Platz 6 im Index.
In NRW wird KI in der chemischen Industrie integriert, um nachhaltige Prozesse zu schaffen und die Produktion zu optimieren.
Das DFKI in Saarbrücken und Kaiserslautern ist ein wichtiger Treiber für KI-Anwendungen in Industrie 4.0, Geschäftsprozessmanagement und Verwaltung.
Rheinland-Pfalz verfügt über eine KI-Allianz und ein regionales Zukunftszentrum zur Unterstützung von KMU. Ein weiterer Fokus liegt auf der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung durch KI.
Berlin & Metropolregionen – Hotspots der KI-Entwicklung
Berlin, Frankfurt, München und Hamburg sind die Zentren der deutschen KI-Start-up-Szene. Berlin und Hamburg führen den Bitkom-Index an.
Berlin ist der wichtigste Hub für KI-Start-ups in Deutschland. Über 33 Prozent aller deutschen KI-Start-ups sind hier angesiedelt. Initiativen wie AI NATION (eine Fusion von K.I.E.Z. Berlin und AI+MUNICH), der AI Campus Berlin und der KI Park bieten Unterstützung, Netzwerke und Zugang zu Kapital.
Frankfurt entwickelt sich zu einem Zentrum für KI im Finanzsektor mit Fokus auf Datenanalyse und Prozessautomatisierung.
München verbindet mit Initiativen wie appliedAI seine starke industrielle Basis mit einem wachsenden Start-up-Ökosystem.
Diese Städte ziehen aufgrund der hohen Konzentration von Universitäten, Forschungslaboren und Technologieunternehmen internationale Fachkräfte an.
Orientierung für Arbeitnehmer und Jobsuchende
Regionale Weiterbildungsangebote
Ein breites Angebot an Weiterbildungen unterstützt den Kompetenzaufbau. Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) bieten zertifizierte Lehrgänge wie "KI-Manager (IHK)" in verschiedenen Regionen an. Hochschulen stellen Online-Zertifikatskurse zur Verfügung. Die Bundesagentur für Arbeit fördert Weiterbildungen durch den Bildungsgutschein. Spezialisierte Anbieter wie Fraunhofer und die Bitkom Akademie bieten Fortbildungen für Fachkräfte an. Die staatlich geförderte Plattform "KI-Campus" stellt kostenlose Online-Kurse bereit.
Die Verbreitung von standardisierten, oft online verfügbaren KI-Zertifikaten schafft eine nationale Basis für KI-Kompetenz. Das ist eine Reaktion auf den Fachkräftemangel, der als eine der größten Hürden für die KI-Einführung gilt. Dieser Bildungsmarkt füllt eine Lücke, die Unternehmen hinterlassen, weil sie ihr Personal nicht schnell genug qualifizieren. Die Standardisierung macht Kompetenzen überregional vergleichbar und erhöht die Flexibilität des Arbeitsmarktes. Das schafft einen mobilen nationalen Talentpool, was einen wichtigen Wettbewerbsvorteil darstellt.
Remote-Arbeit als Chance: ortsunabhängige Karriere in der KI-Wirtschaft
Die Zunahme von Remote-Arbeit in KI-Berufen bietet eine Chance, regionale Ungleichheiten zu verringern. Fachkräfte in strukturschwächeren Regionen können für Unternehmen in den großen Zentren arbeiten. Das entkoppelt wirtschaftliche Chancen von der geografischen Lage und kann der Abwanderung von Fachkräften aus ländlichen Gebieten entgegenwirken.
Ausblick: Deutschland im internationalen Vergleich
Deutschlands Position im globalen KI-Wettbewerb ist ambivalent.
Schwächen
Deutschland liegt bei privaten KI-Investitionen mit 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2023 weit hinter den USA (ca. 62,5 Milliarden Euro) zurück. Bei KI-Patenten beträgt der deutsche Anteil nur 6 Prozent, während die USA und China jeweils rund 28 Prozent erreichen. In globalen Rankings belegt Deutschland Plätze im oberen Mittelfeld, typischerweise zwischen Rang 5 und 7, aber mit deutlichem Abstand zu den beiden führenden Nationen.
Stärken
Deutschland verfügt über eine erstklassige KI-Forschungslandschaft mit zahlreichen international anerkannten Universitäten und Institutionen. Deutsche Unternehmen sind starke Anwender von KI. Im Digitalisierungsindikator der EU-Kommission belegt Deutschland Rang sieben und liegt damit vor anderen großen EU-Ländern. Zudem gibt es in Deutschland spezialisierte KI-Unternehmen wie DeepL und Aleph Alpha, die sich auf die Entwicklung souveräner europäischer KI-Lösungen konzentrieren.
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Kennzahl |
Deutschland |
USA |
China |
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Private KI-Investitionen (2023) |
1,8 Mrd. € |
62,5 Mrd. € |
(nicht spezifiziert) |
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Globaler Anteil an KI-Patenten |
6 % |
27 % |
29 % |
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Global AI Index Rang |
7 |
1 |
2 |
Tabelle 4: Deutschlands Position im internationalen KI-Vergleich. Die Daten verdeutlichen den Abstand zu den führenden Nationen USA und China. Quelle: KfW
Deutsche Cluster können vom US-Modell der engen Vernetzung von Risikokapital, Universitäten und Start-ups lernen, um die Kommerzialisierung zu beschleunigen. Von der strategischen, staatlich gelenkten Industriepolitik Chinas können ebenfalls Lehren gezogen werden, die an den europäischen Regulierungsrahmen angepasst werden müssen.
Fazit: regional unterschiedlich – aber überall im Wandel
KI-Wandel ist kein monolithischer Prozess. Die industrielle DNA jeder Region bestimmt ihren spezifischen Weg. Für den Süden bedeutet das Transformation der bestehenden Industrie. Für den Norden Modernisierung der Logistik- und Energieinfrastruktur. Für den Osten bedeutet es einen geförderten Aufbau neuer Strukturen. Für die Metropolen bedeutet es die Förderung von Innovation.
Eine proaktive Anpassung ist unumgänglich. Das erfordert von Einzelpersonen die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen. Unternehmen müssen neue Technologien und Geschäftsmodelle annehmen. Regionen müssen ihre Innovationsökosysteme durch eine enge Zusammenarbeit von Industrie, Wissenschaft und Verwaltung stärken.
FAQs
Welche Region ist in Deutschland führend bei der Digitalisierung?
Hamburg führt den Bitkom Länderindex 2024 an, gefolgt von Berlin und Bayern.
Wo wird KI in der deutschen Industrie am meisten eingesetzt?
KI wird am häufigsten in der IT- und Beratungsbranche sowie im verarbeitenden Gewerbe, insbesondere in der Automobilindustrie und im Maschinenbau, eingesetzt.
Warum hinkt der deutsche Mittelstand bei der KI-Nutzung hinterher?
Dem Mittelstand fehlen oft die finanziellen Ressourcen, das Fachpersonal und klare Strategien, um KI-Technologien zu implementieren.
Wie steht Deutschland im globalen KI-Wettbewerb da?
Deutschland ist stark in der KI-Forschung und -Anwendung, liegt aber bei Investitionen und Patenten deutlich hinter den USA und China.
Was ist die größte Chance durch Remote-Arbeit im KI-Sektor?
Remote-Arbeit ermöglicht es Fachkräften, ortsunabhängig für Top-Unternehmen zu arbeiten und kann so den Fachkräftemangel in strukturschwächeren Regionen mildern.