
Wie lösen Sie Konflikte unter Kollegen?
Ein Streit mit Kollegen ist - wie in allen zwischenmenschlichen Beziehungen - niemals ganz auszuschließen. Der Arbeitsalltag birgt Konfliktpotenzial, in manchmal Situationen sind Reibungen unausweichlich. Wichtig ist eine Streitkultur, die zur Schlichtung in beiderseitigem Einvernehmen führt
Wie kommt es zum Streit unter Kollegen?
In der Regel entstehen Konflikte bei neuen Herausforderungen und einer damit verbundenen Veränderung der Arbeitsorganisation. Darüber hinaus gibt es systemische Konflikte, die ewig schwelen und irgendwann ausbrechen. Letztere muss der Arbeitgeber beseitigen, manchmal ist auch der Staat in der Pflicht. Ein solcher Konflikt war (und ist teilweise noch) die schlechtere Bezahlung von Leiharbeitern, die sich in einer bestimmten Situation weigern könnten, heikle Aufgaben zu übernehmen. Soll das doch der fest angestellte Arbeitnehmer mit seinem höheren Gehalt machen.
Der deutsche Staat hat versucht, mit der Reform des Arbeitnehmerüberlasssungsgesetzes (seit 1. April 2017 in Kraft) diesen Druck etwas abzubauen. Bliebe da noch die Situation Nr. 1, also eine veränderte Arbeitsorganisation, manchmal eine neue Zusammenstellung des Teams, wesentlich mehr oder wesentlich weniger Arbeit (ebenfalls problematisch), die einen Streit auslösen kann. Kritisch wird ein Streit mit Kollegen bei verbalen Entgleisungen oder gar Handgreiflichkeiten, bei Arbeitsverweigerung, Sabotage oder übler Nachrede.
Möglichkeiten der Konfliktlösung unter Kollegen
Die Entstehung eines Konflikts ist komplex, Kommunikationsforscher arbeiten schon lange an der Aufklärung der Hintergründe. Wir wissen heute, dass ein Konflikt unabhängig von seinen Ursachen eine Qualität an sich hat. Das bedeutet: Wer sich mit jemandem zerstritten hat, möchte mit dieser Person oft nichts mehr zu tun haben, auch wenn die Ursachen des Konflikts beseitigt sind. Sie sollten nach Möglichkeit beseitigt werden, doch das ist keine Garantie dafür, dass anschließend der Streit unter Kollegen endet. Es gilt daher, eine Konflikt- und Streitkultur zu entwickeln, die zur Deeskalation und schließlich zur Versöhnung führt. Nur das kann das Ziel im Kollegenkreis sein. Ansonsten muss jemand kündigen.
- Konflikten nicht ausweichen: Konflikte verschwinden nicht von selbst. Sie müssen das Gespräch mit dem direkten Kontrahenten und nötigenfalls auch mit einem Mediator suchen. Dieser wäre im Kollegenkreis zunächst der unmittelbare Vorgesetzte, es könnte aber auch ein dritter Kollege sein, dessen Überparteilichkeit anerkannt wird. Nur durch das Gespräch mit dem Kontrahenten erfahren Sie überhaupt alles über die Ursachen des Konflikts. Es kann sich auch (wenigstens teilweise) um ein Missverständnis handeln. Gehen Sie davon aus, dass niemand allein an einem Konflikt die Schuld trägt - selbst dann nicht, wenn er sich eindeutig falsch verhalten hat. Es gibt für sein Verhalten wahrscheinlich Hintergründe, die Sie nicht kennen. Wenn sich dieser Kollege wirklich nur fahrlässig falsch verhalten hat, liegt das wohl in seinem Charakter. In diesem Fall hätte er nicht ins Team gehört. Eine Teilschuld läge bei der Betriebsleitung, die ihn eingestellt hat.
- Konflikte zur Veränderung nutzen: Ein Streit mit Kollegen ist aus Sicht der Kommunikationswissenschaft nichts weiter als ein Signal, dass an der Beziehung etwas nicht stimmt. Dieses Signal stresst zwar die Beteiligten enorm, dennoch ist es nichts weiter als eine rote Ampel. Sie müssen also - gemeinsam mit dem Kontrahenten - stehen bleiben und einen neuen Weg suchen (oder auf das Umschalten der Ampel warten). Der Kommunikationsforscher begrüßt daher den kultivierten Streit, weil es ohne ihn keine Veränderung gäbe. Es ist in diesem Fall die Veränderung in der Beziehung mit dem Kollegen gemeint. Vielleicht sollten Sie mehr miteinander kooperieren.
- Achten Sie auf Ihre Worte: Ein falsches Wort im Streit lässt sich nie wieder zurückholen. Es kann ein höflich ausgesprochenes, dennoch herabwürdigendes Wort sein. Achten Sie auch auf unterlassene Worte. Vielleicht sollten Sie dem Kollegen auch einmal mitteilen, dass Sie seine Arbeit durchaus wertschätzen, nur in diesem einen Punkt anderer Meinung sind. Sie haben ihm Ihre Wertschätzung noch nie mitgeteilt? Das könnte ein Grund für den Konflikt sein.
- Objektivität und Ehrlichkeit: Ein Konflikt hat objektive Ursachen - betriebliche, systemische und psychologische Ursachen. Versuchen Sie diese mit einem objektiven Blick zu erfassen. Seien Sie ehrlich und gestehen Sie sich ein, dass Sie ein Teil des Problems sind. Das ist durchaus positiv zu betrachten, denn diesen Teil können Sie selbst bearbeiten.
- Decken Sie schwelende Konflikte auf: Nichts belastet mehr, als ein unausgesprochener, aber ewig schwelender Konflikt. Gehen Sie auf den Kontrahenten zu, teilen Sie ihm Ihr Empfinden mit und fragen Sie ihn nach seiner Meinung. Wenn Sie sich nur aus dem Weg gehen, wird das Fass irgendwann überlaufen.
- Bleiben Sie höflich: Höflichkeit ist noch wichtiger als Sachlichkeit. Menschen, die unter der Gürtellinie angegriffen werden, verzeihen das nie wieder.
Foto: © Bavorndej Adobe Stock

Autor: Dr.Hans-Peter Luippold
Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und Facebook.