DAS ARBEITSZEUGNIS: Mehr als eine Leistungsbeurteilung

DAS ARBEITSZEUGNIS: Mehr als eine Leistungsbeurteilung

Professionell bewerben | 19.04.2023

Ein gutes Arbeitszeugnis ist essenziell für das karrieretechnische Fortkommen in fast allen Berufen. Was muss, darf und soll in ein Arbeitszeungis? Und ist es gut, wenn ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit zur "vollen Zufriedenheit" ihrer Vorgesetzten ausgeführt hat? Lernen Sie in diesem Artikel, auf was Sie bei Ihrem Arbeitszeugnis achten müssen, welche Arten es gibt und auf was Sie Anspruch haben.

Arbeitszeugnis: Das Wichtigste auf einen Blick

  • Das Arbeitszeugnis ist ein wichtiges Dokument für die Bewerbung um eine neue Stelle, da es Personalentscheider bei der Einschätzung der Bewerber unterstützt
  • Laut Gewerbeordnung haben Arbeitnehmer/innen beim Ende eines Beschäftigungsverhältnisses einen Anspruch auf ein wohlwollendes Arbeitszeugnis in schriftlicher Form
  • Es gibt zwei Arten von Arbeitszeugnissen: das einfache, welches nur Angaben zur Dauer und Art der Beschäftigung enthält und das qualifizierte, welches auch Bewertungen des Sozialverhaltens und der Arbeitsleistungen enthält
  • Zwischenzeugnisse werden während eines Beschäftigungsverhältnisses ausgestellt und können sowohl einfach als auch qualifiziert sein. Sie werden oft bei Wechseln des Vorgesetzten oder Betriebsübernahmen benötigt
  • Arbeitnehmer haben Anspruch auf ein korrekt aufgebautes Arbeitszeugnis, ohne verkappte Inhalte

DAS ARBEITSZEUGNIS: FORM UND INHALT GLEICH WICHTIG

Arbeitszeugnisse belegen Art und Dauer von Beschäftigungen sowie

  • erbrachte Leistungen,
  • Qualifikationen und
  • Sozialverhalten

von Arbeitnehmern. Personaler nutzen Arbeitszeugnisse also zur Einschätzung der Bewerbereignung. Mithin besitzen diese Zeugnisse als Firmenurkunden erhebliche Bedeutung für Arbeitnehmer wie Unternehmen. Daher sollten professionelle Arbeitszeugnisse etlichen Gütekriterien genügen.

EINFACHES UND QUALIFIZIERTES ARBEITSZEUGNIS

Beim Ende eines Beschäftigungsverhältnisses erhalten Arbeitnehmer nach §109 der Gewerbeordnung ein wohlwollendes Arbeitszeugnis in schriftlicher Form. Dieser gesetzliche Anspruch währt drei Jahre, bis zu drei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis also noch nachfordern.
Deswegen erwarten neue Arbeitgeber zu jeder vergangenen Arbeitsstelle ein entsprechendes Dokument.

Formal korrekte Arbeitszeugnisse treffen klare Aussagen ohne verkappte Inhalte. In der Praxis hingegen hat sich ein Code etabliert, der mit wohlwollenden Worten auch negative Kritik äußern kann.

Speziell existieren einfache und qualifizierte Arbeitszeugnisse. Im einfachen Dokument lassen sich verifizierbare Fakten zu Dauer und Art von Beschäftigungen erkennen. Anstellungszeiten und bearbeitete Aufgaben bilden den eigentlichen Inhalt.

Das qualifizierte Arbeitszeugnis als Favorit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist ein Arbeitszeugnis, das detailliert und präzise über die Leistungen und Verhaltensweisen des Arbeitnehmers während seiner Zeit beim Arbeitgeber Auskunft gibt. Es enthält sowohl positive als auch negative Aspekte und gibt ein genaues und aussagekräftiges Bild von der Leistung des Arbeitnehmers.

Es enthält in der Regel Angaben zu Personalien und Beschäftigungsverhältnis, eine detaillierte Bewertung der Leistungen und Verhaltensweisen des Arbeitnehmers, sowie Empfehlungen und Wünsche für die Zukunft. Es ist wichtig, dass es ehrlich und wahrheitsgetreu ist und keine falschen oder übertriebenen Angaben enthält.

Für potenzielle Arbeitgeber ist es von großem Nutzen, da es ihnen ein genaues und aussagekräftiges Bild von der Leistung des Arbeitnehmers vermittelt und ihnen hilft, eine informierte Entscheidung bei der Besetzung von Stellen zu treffen. Es ist auch für den Arbeitnehmer von Nutzen, da es ihm hilft, sich auf dem Arbeitsmarkt zu präsentieren und potenzielle Arbeitgeber von seinen Fähigkeiten und Erfahrungen zu überzeugen.

ZWISCHENZEUGNISSE: BESONDERE DOKUMENTE FÜR BESONDERE SITUATIONEN

Zwischenzeugnisse, einfach oder qualifiziert, entstehen bei Bedarf während eines Beschäftigungsverhältnisses. Wechselnde Vorgesetzte, Betriebsübernahmen und ähnliche Unwägbarkeiten ergeben plausible Gründe für die Ausstellung des Dokuments.

Das Bitten um ein Zwischenzeugnis in guten Phasen der Beziehung zum Vorgesetzten sichert gute finale Beurteilungen: Die Bindungswirkung solcher Einschätzungen erzwingt ein vergleichbares Urteil im Abschlusszeugnis. Deswegen müssen Anfragen zum Ausstellen von Zwischenzeugnissen besonders plausibel erscheinen. Insbesondere erregen solche Bitten sofort den Verdacht der geplanten Kündigung. 

Der korrekte Aufbau von Arbeitszeugnissen

Arbeitszeugnisse sollten etlichen formalen Kriterien genügen. Vorgeschriebene Ausdrucke auf sauberem Firmenpapier ohne Knicke und Beschädigungen mit Unterschrift des Personalverantwortlichen sind hierbei das äußere Minimum. Inhaltlich steht dem Arbeitnehmer sein individuelles Zeugnis zu.

Die Form eines Arbeitszeugnisses sollte korrekt und professionell sein. Es sollte auf offiziellem Briefpapier des Unternehmens ausgestellt werden und alle wichtigen Angaben wie Name, Position und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses enthalten. Insbesondere Fehlzeiten wegen Erkrankung sowie Urlaubszeiten finden sich hier also nicht.

Der Inhalt eines Arbeitszeugnisses sollte positiv und fair sein und eine genaue und ausführliche Beschreibung der Leistungen und Verhaltensweisen des Arbeitnehmers während seiner Zeit beim Arbeitgeber enthalten. Es sollte auch spezifische Beispiele für die geleistete Arbeit und erreichten Ergebnisse enthalten. Es ist wichtig, dass das Arbeitszeugnis ehrlich und wahrheitsgetreu ist und keine falschen oder übertriebenen Angaben enthält.

In der Regel hat ein Arbeitszeugnis drei Abschnitte:

  1. Angaben zu Personalien und Beschäftigungsverhältnis
  2. Bewertung der Leistungen
  3. Empfehlungen und Wünsche

Führungskräfte streben unbedingt nach der Beschreibung ihrer Leistungssteigerung. Besonders die Nennung nachprüfbarer Verbesserungen für das Unternehmen interessiert hier.

In der optionalen Schlussformel danken Arbeitgeber ihrem Mitarbeiter oft, bedauern dessen Weggang und wünschen weiterhin Erfolg. Fehlende Schlussformeln kodieren negative Beurteilungen. Zum Grund des Arbeitsendes hingegen entscheidet nur der Mitarbeiter, ob dieser genannt wird.

ANSPRUCH DES ARBEITNEHMERS ZU FORMALEN KRITERIEN

Ein formal falsches Zeugnis beanstanden Arbeitnehmer vorzugsweise umgehend. Nachbesserungen oder vollständig neue Entwürfe lassen sich sofort einfordern. Speziell unvollständige oder schlechter als "befriedigende" Urteile berechtigen dazu. Ambivalente sowie in sich widersprüchliche Aussagen als auch grammatische Fehler sind ebenfalls unzulässig. Entsprechende Nachbesserungsansprüche verfallen allerdings nach etwa einem halben bis zu weniger als anderthalb Jahren.

Der Teufel steckt im Detail: Formulierungen und Codes im Zeugnis

Dem Arbeitnehmer steht ein wohlwollendes Zeugnis zu. Tatsächlich gibt es aber bestimmte Formulierungen, die auf den ersten Blick positiv klingen, sich aber bei genauerer Betrachtung als versteckte Kritik am Arbeitnehmer entpuppen können. Diese sogenannte "Zeugnissprache" ist unter Personalern gemeinhin bekannt und wird von ihnen mühelos in die Kritik übersetzt, die sie in blumiger Sprache vermitteln will.
Einige Beispiele für solche Formulierungen sind:

  • "zeigte stets eine gewisse Initiative": Diese Formulierung klingt positiv, weist aber darauf hin, dass der Arbeitnehmer nicht immer von sich aus handelte und über wenig Eigeninitiative verfügt.

  • "war stets bemüht": Diese Formulierung klingt positiv, aber kann auch darauf hinweisen, dass der Arbeitnehmer nicht immer erfolgreich war.

  • "hat sich stets bemüht, Anweisungen umzusetzen": Diese Formulierung klingt positiv, aber kann auch darauf hinweisen, dass der Arbeitnehmer nicht immer erfolgreich war oder Anweisungen nicht immer korrekt umgesetzt hat.

  • "hat sich in bestimmten Bereichen verbessert": Diese Formulierung klingt positiv, aber kann auch darauf hinweisen, dass der Arbeitnehmer anfangs Schwierigkeiten in diesen Bereichen hatte.

Grundsätzlich gibt es jedoch keine festen Regeln für die Leistungsbeurteilung des Arbeitnehmers. Daher kann es auch passieren, dass Zeugnisse sehr subjektiv und ohne Blick auf die oben genannte Zeugnissprache formuliert werden. Es ist daher ratsam, das Arbeitszeugnis sorgfältig zu lesen und gegebenenfalls Nachfragen zu bestimmten Formulierungen zu stellen, um sicherzustellen, dass man die Aussagen richtig versteht und interpretiert. Da dies auch bei potentiellen neuen Arbeitgebern ankommen sollte, könnten Sie bei missverständlichen Formulierungen um eine Korrektur bitten.

STILFEHLER "GEFÄLLIGKEITSZEUGNIS"

Umfassende objektive Urteile bleiben im praktischen Umfeld natürlich unmöglich. Schließlich messen Unternehmen nicht alle Leistungen und Aspekte des Sozialverhaltens quantitativ. Zudem wünschen sich Zeugnisleser subjektive Urteile mit ihren differenzierten Zwischentönen.

Bisweilen stellen Arbeitgeber dabei Zeugnisse aus, die unangemessen positiv formuliert sind und wesentliche Leistungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers unzureichend oder sogar gar nicht erwähnen. Ein Gefälligkeitszeugnis wird oft aus Freundlichkeit, Rücksichtnahme oder aus Angst vor Kritik gegenüber dem Arbeitnehmer ausgestellt.

Schlechtes Zeichen für Personaler 

Gefälligkeitszeugnisse sind für Personaler unbrauchbar, da sie in der Regel unangemessen positiv formuliert sind und wichtige Informationen über den Arbeitnehmer fehlen. Ein Gefälligkeitszeugnis gibt keine realistische Einschätzung der Leistungen und des Verhaltens eines Bewerbers und kann deshalb die Entscheidungsfindung beeinträchtigen.
Personaler haben in der Regel viel Erfahrung im Lesen und Deuten von Arbeitszeugnissen und können oft erkennen, wenn ein Zeugnis unangemessen positiv formuliert ist. Sie können auch durch das Gespräch mit dem Bewerber oder durch Referenzen von früheren Arbeitgebern wichtige Informationen erhalten, um die Aussagen im Arbeitszeugnis zu verifizieren oder zu ergänzen.
Ein Gefälligkeitszeugnis kann dem Bewerber in der Regel sogar schaden, da es den Personaler in die Irre führt und seine Chancen auf die Stelle beeinträchtigen kann. Personaler bevorzugen oft Zeugnisse, die ehrlich und aufrichtig sind, auch wenn sie kritische Anmerkungen enthalten, da sie diese als hilfreicher und zuverlässiger einschätzen, um die Eignung des Bewerbers beurteilen zu können.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.