Lügen im Bewerbungsgespräch

Lügen im Bewerbungsgespräch

Professionell bewerben | 12.10.2018

Lügen im Bewerbungsgespräch. Darf ich das? Die Antwort heißt nicht immer "nein". Lernen Sie in diesem Artikel, welche Konsequenzen es haben kann, im Bewerbungsgespräch nicht die Wahrheit zu sagen.

Vorstellungsgespräch: Ehrlich währt am längsten

Wenn Sie in ein Vorstellungsgespräch gehen, sollten Sie bedenken, dass der Personaler auf der anderen Seite des Tisches eine sagenhafte Erfahrung mit den Lügen von Kandidaten mitbringt. Er ist außerdem psychologisch geschult und durchleuchtet Sie nach allen Regeln der Kunst - während des Gesprächs, vorher und hinterher. Er holt Hintergrundinformationen ein und versucht gezielt, bestimmte Lügen aufzudecken. Das gelingt ihm praktisch bei jedem Kandidaten, denn niemand ist vollkommen ehrlich. Doch es sind zahllose wirklich harmlose Lügen dabei: Manche Bewerber hübschen ihre Leistungen in der vorherigen Firma etwas auf, manche erwähnen prestigeträchtige Studienfächer, die sie in Wahrheit nicht belegt haben, die aber für den Job auch kaum eine Rolle spielen. Prekärer wird es, wenn jemand pleite ist und das verschleiert. Noch schlimmer sind Hochstapler, die im Lebenslauf aufgeführte Spitzenpositionen in Wahrheit nie bekleidet haben. Doch Personaler sind geschickt und decken solche Lügen in der Regel auf, mehr noch: Sie erkennen schon an der Art der Antwort, ob jemand lügen könnte. Wenn Kandidaten auf eine Frage sehr allgemein antworten, lügen sie oft. Eine befriedigende echte Antwort gibt es nicht, eine handfeste, plausible Lüge fällt ihnen so schnell nicht ein. Also weichen sie auf Allgemeinplätze aus. Der Personaler kennt den Effekt und stellt daher gezielt solche Fangfragen. Auch hat sich in Studien gezeigt, dass lügende Menschen oft die zweite oder dritte Person für ihre selbst ausgedachten Situationen verwenden. Ein Beispiel:

  • Wahrheit: “Ich konnte den Umsatz mit dieser Methode um 30 % steigern.“ (1. Person)
  • Lüge: “Sie können den Umsatz mit dieser Methode um erstaunliche 50 % steigern.“ (2. Person)
  • Lüge: “Man kann den Umsatz mit dieser Methode um sagenhafte 40 - 80 % steigern.“ (3. Person)

Es gibt darüber hinaus das bei untrainierten Menschen untrügliche Signal des Blicks bei einer Lüge: Er geht nach oben links, weil der lügende Mensch im dortigen Hirnareal gerade ein Bild erfindet. Wenn der Blick sehr gerade nach links geht, konstruiert der Mensch eine auditive Erinnerung. Von solchen Mustern gibt es noch mehr. Seien Sie sicher, dass der Personaler sie kennt.

Die Folgen von Lügen im Vorstellungsgespräch

Eine Lüge wird zwar manchmal vermutet, aber der Personaler kann über die Wahrheit nur spekulieren. Jedoch fällt die Unwahrheit dem Kandidaten in der Regel früher oder später auf die Füße. Schlimme Lügen, die nach der Einstellung entdeckt werden, können auch nach der Probezeit zur Kündigung und schlimmstenfalls zu Schadenersatzforderungen führen. Das wäre etwa bei gefälschten Zeugnissen und Zertifikaten der Fall. Auch kleinere Lügen kosten den Kandidaten unweigerlich Vertrauen, wenn man sie entlarvt. In Zukunft hinterfragt die Firma jede seiner Aussagen und - schlimmer noch - seiner Leistungen. Etwas größere Lügen, die der Personaler nach dem Vorstellungsgespräch durch etwas Recherche aufdeckt, führen unweigerlich zur Absage der Bewerbung. Dem Kandidaten wird der Grund in der Regel nicht mitgeteilt. Damit entgeht ihm die Chance, in Zukunft ehrlicher aufzutreten oder wenigstens belastbare Legenden zu erfinden.

Sind Lügen im Vorstellungsgespräch so häufig?

Das sind sie in der Tat. Die Universität von Massachusetts hat hierzu eine Studie durchgeführt und ermittelt, dass im Vorstellungsgespräch durchschnittlich alle sieben Minuten gelogen wird. Wenn das Gespräch reichlich 20 Minuten dauert, waren es schon drei Lügen. Die Lügerei setzt sich im Berufsalltag fort. Hierzu hat die deutsche GfK eine Umfrage unter Berufstätigen durchgeführt. 31,9 Prozent von ihnen gaben zu, ihre Vorgesetzten und Kollegen gelegentlich zu belügen. Doch es bleibt dabei: Viele der Lügen sind harmlos, einige sind sogar selbst im Vorstellungsgespräch erlaubt. So müssen Sie als 26-jährige Frau nicht zwingend ehrlich bei der Frage nach Ihrer Familienplanung sein. Sollte der Personalchef danach fragen, dürfen Sie antworten, dass Sie aktuell noch nicht an ein Kind denken, auch wenn Sie sich dieses in den nächsten zwei Jahren wünschen. Ein kluger Personaler stellt diese Frage womöglich gar nicht.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.