Fit für den Job? So testen Sie Ihre KI-Kenntnisse in 5 einfachen Schritten

Fit für den Job? So testen Sie Ihre KI-Kenntnisse in 5 einfachen Schritten

Karriereplanung | 05.11.2025

KI-Skills werden im Job immer wichtiger. Es ist deshalb zu empfehlen, die eigenen Fähigkeiten kritisch zu hinterfragen, um dann die passenden Maßnahmen zu ergreifen. Wir zeigen, wie das in fünf einfachen Schritten funktioniert.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • KI-Kompetenz ist eine Kombination aus allgemeinem Verständnis und praktischer Anwendung.
  • Die Analyse der eigenen Jobanforderungen ist der erste Schritt zur Kompetenzentwicklung.
  • Eine strukturierte Selbstbewertung anhand von Kompetenzrahmen deckt Lücken auf.
  • Praktische Tests mit KI-Werkzeugen zeigen die tatsächliche Handlungsfähigkeit.
  • Ein persönlicher Entwicklungsplan schließt Wissenslücken gezielt durch Kurse und Zertifikate.

Was sind „KI-Kenntnisse“ überhaupt?

Der Begriff „KI-Kenntnisse“ oder „KI-Kompetenz“ hat sich grundlegend gewandelt. Früher war das eine Nische für technische Spezialisten. Heute ist es eine breites Spektrum an Fähigkeiten, die für fast alle Wissens-Arbeitnehmer relevant sind. Diese Veränderung ist eine direkte Folge der Verfügbarkeit von nutzerfreundlichen KI-Werkzeugen.

Die Definition von KI-Kompetenz umfasst laut IBM die Fähigkeit, künstliche Intelligenz zu verstehen, kritisch zu hinterfragen und verantwortungsvoll einzusetzen. Das schließt das Wissen über die Fähigkeiten, Grenzen und ethische Aspekte von KI-Systemen ein.

Es geht nicht mehr primär um das Programmieren von KI. Stattdessen ist die Fähigkeit entscheidend, die richtigen Fragen zu stellen, um die Funktionsweise von KI-Systemen zu verstehen.

Die KI-Verordnung der Europäischen Union (EU AI Act) fordert von allen Personen, die KI-Systeme betreiben oder nutzen, ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz. Das soll Risiken minimieren und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sicherstellen. Die entscheidende Fähigkeit ist nicht mehr das Erstellen der KI, sondern die effektive, kritische und sichere Interaktion mit ihr. Das macht KI-Grundkenntnisse zu einer universellen Anforderung, ähnlich der digitalen Kompetenz vor einem Jahrzehnt.

Unterschied zwischen allgemeinem KI-Verständnis und technischem Know-how

Es wird zwischen zwei Ebenen der KI-Kompetenz unterschieden. Das allgemeine KI-Verständnis ist die Grundlage für alle. Das technische Know-how ist für Spezialisten erforderlich.

Allgemeines KI-Verständnis (AI Literacy)

Allgemeines KI-Verständnis ist die Basiskompetenz für die meisten Berufstätigen. Es umfasst ein grundlegendes Wissen darüber, was KI ist. Dazu gehört das Verständnis von Begriffen wie Maschinelles Lernen oder Sprachmodelle (LLMs). Anwender müssen in der Lage sein, die Potenziale und Risiken von KI-Anwendungen in ihrem Arbeitskontext zu erkennen. Man muss kein Programmierer sein, um von diesem Wissen zu profitieren. Diese Kompetenz befähigt Mitarbeiter, fundierte Entscheidungen zu treffen und KI als Werkzeug intelligent zu nutzen.

Technisches Know-how

Spezialisierte Fähigkeiten sind für technische Rollen wie KI-Entwickler, Data Scientists oder Machine Learning Engineers erforderlich. Zu diesem Know-how gehören fortgeschrittene Programmierkenntnisse wie zum Beispiel in Python. Es umfasst auch den sicheren Umgang mit Frameworks für maschinelles Lernen wie TensorFlow oder PyTorch. 

In den meisten Berufen geht es jedoch nicht darum, eine KI von Grund auf zu trainieren oder zu entwickeln. Der Fokus liegt auf der Anwendung bestehender Systeme.

Überblick: Wichtige KI-Kompetenzfelder

KI-Kompetenz lässt sich in mehrere Kernbereiche unterteilen. Diese Bereiche bilden ein systematisches Gerüst für die Selbstbewertung und die persönliche Weiterentwicklung. Die diversen geforderten Fähigkeiten lassen sich in einem dreistufigen Modell organisieren. Das Modell besteht aus grundlegender Bildung, angewandten Fähigkeiten und strategischer Steuerung. Zuerst muss man die Grundlagen verstehen. Dann lernt man die Anwendung der Werkzeuge. Schließlich beherrscht man die strategischen und ethischen Implikationen. Das schafft einen klaren, hierarchischen Lernpfad.

KI-Kompetenzfelder im Detail

  • Datenverständnis (Data Literacy): Das ist die Fähigkeit, Daten zu interpretieren und ihre Qualität zu bewerten. Man muss verstehen, wie Daten KI-Modelle trainieren. Das ist eine grundlegende Voraussetzung, um KI-generierte Ergebnisse kritisch hinterfragen zu können.
  • Anwendungskompetenz & Automatisierung beschreibt die Fähigkeit, KI-Tools zur Lösung alltäglicher Aufgaben einzusetzen. Dazu gehört auch die Automatisierung von Routineprozessen. Ein wichtiger Teil ist das Erkennen von Anwendungsfällen, in denen KI einen echten Mehrwert schafft.
  • Prompt Engineering: Hier geht es darum, präzise und effektive Anweisungen, also Prompts, für generative KI-Modelle zu formulieren. Das Ziel ist es, relevante und genaue Ergebnisse zu erhalten. Das wird als eine der wichtigsten Fähigkeiten im Arbeitsalltag angesehen.
  • Kritisches Denken & Ergebnisbewertung: Das ist die Fähigkeit, KI-generierte Ergebnisse nicht ungeprüft zu übernehmen. Man muss sie auf Korrektheit, Voreingenommenheit (Bias) und Relevanz prüfen. KI-Systeme können Fehler machen, daher ist die menschliche Überprüfung und Validierung sehr wichtig.
  • Ethik und rechtliche Aspekte: Hier geht es um das Bewusstsein für ethische Herausforderungen wie Fairness, Transparenz und Datenschutz, aber auch um das Wissen um rechtliche Rahmenbedingungen wie den EU AI Act. Dazu gehört das Wissen, welche Daten, insbesondere personenbezogene, nicht in öffentliche KI-Systeme eingegeben werden dürfen.

Kategorie

Kompetenzfeld

Beschreibung

Relevanz im Job

Grundlagen

Datenverständnis

Fähigkeit, die Rolle und Qualität von Daten für KI-Systeme zu verstehen und zu bewerten

Zur Validierung von KI-Ergebnissen und zur Vermeidung von Fehlentscheidungen auf Basis fehlerhafter Daten

Grundlagen

Technologisches Grundverständnis

Wissen über grundlegende KI-Begriffe (z.B. LLM, Machine Learning) und Funktionsweisen

Ermöglicht einen sicheren Umgang mit KI-Tools und die Einschätzung ihrer Potenziale und Grenzen

Anwendung

Anwendungskompetenz

Fähigkeit, relevante KI-Tools für spezifische berufliche Aufgaben zu identifizieren und zu nutzen

Steigert die Produktivität durch die effiziente Erledigung von Routine- und Kreativaufgaben

Anwendung

Prompt Engineering

Fähigkeit, präzise Anweisungen für generative KI zu formulieren, um gewünschte Ergebnisse zu erzielen

Entscheidend für die Qualität und Relevanz der von KI-Systemen generierten Inhalte

Steuerung

Kritisches Denken

Fähigkeit, KI-generierte Ergebnisse auf Korrektheit, Bias und logische Konsistenz zu überprüfen

Sichert die Qualität der Arbeit und verhindert die Verbreitung von Fehlinformationen

Steuerung

Ethik & Recht

Wissen über ethische Implikationen (z.B. Fairness, Transparenz) und rechtliche Rahmen (z.B. EU AI Act, Datenschutz)

Gewährleistet einen verantwortungsvollen und gesetzeskonformen Einsatz von KI-Technologien

Tabelle 1: KI-Kompetenzfelder und ihre Bedeutung im Job

Beispiele typischer KI-Anwendungen im Arbeitsalltag

Künstliche Intelligenz ist bereits in viele berufliche Abläufe integriert. Die Interaktion mit KI verlagert sich dabei zunehmend von eigenständigen Spezialanwendungen hin zu Funktionen, die nahtlos in alltägliche Software integriert sind. KI wird zu einer unsichtbaren, eingebetteten Ebene in den Werkzeugen, die Mitarbeiter bereits nutzen. Das bedeutet, dass die größten Produktivitätssteigerungen durch das aktive Suchen und Erlernen dieser neuen KI-gestützten Funktionen innerhalb der bestehenden Software-Suite erzielt werden.

  • Text- und Inhaltsgenerierung: KI-Assistenten erstellen Entwürfe für E-Mails, Berichte, Präsentationen und Marketingtexte. Sie fassen lange Dokumente und Artikel zusammen, um die Informationsaufnahme zu beschleunigen. Werkzeuge wie DeepL ermöglichen die Übersetzung von Texten in Echtzeit, was die internationale Kommunikation erleichtert.
  • Datenanalyse und -visualisierung: KI-gestützte Analysewerkzeuge werten große Datenmengen aus, um Muster und Trends zu erkennen. Im Finanzwesen unterstützen sie bei der Erstellung von Prognosen und der Bewertung von Risiken. Anwendungen wie Tableau oder KI-Funktionen in Microsoft Excel machen komplexe Datenanalysen zugänglicher.
  • Automatisierung von Routineaufgaben: KI automatisiert repetitive Aufgaben wie die Dateneingabe und -verarbeitung, wodurch Mitarbeiter sich auf besonders wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren können. Sie hilft bei der Planung von Terminen und der Organisation von Arbeitsabläufen. Werkzeuge wie Fireflies.ai oder Otter.ai transkribieren automatisch Audio- und Videomeetings und erstellen Zusammenfassungen.
  • Bild- und Videobearbeitung: Generative KI-Modelle erstellen Bilder und Grafiken für Präsentationen, Marketingmaterialien oder soziale Medien auf Basis von Textbeschreibungen. Moderne Videobearbeitungsprogramme erlauben es, Videos durch Textbefehle zu schneiden und zu bearbeiten, was den Produktionsprozess erheblich vereinfacht. Beispiele für solche Werkzeuge sind Midjourney, DALL-E 3 und Runway ML.

Die 5 Schritte, um Ihre KI-Skills zu testen

Anhand der folgenden fünf Schritte können Sie testen, welche KI-Skills Sie in Ihrem Job benötigen, und auf welchem Stand Sie sich befinden.

Schritt 1: Analyse der eigenen Jobanforderungen

Der erste Schritt zur Bewertung der eigenen KI-Kenntnisse ist die systematische Analyse der spezifischen Anforderungen im eigenen Berufsfeld. Es ist wichtig zu verstehen, welche Kompetenzen tatsächlich relevant sind.

Quellen zur Anforderungsanalyse

  • Stellenanzeigen: Die Analyse von Stellenausschreibungen für die eigene oder eine angestrebte Position ist eine effektive Methode. Dazu finden Sie zum Beispiel in den Stellenanzeigen hier auf Stellenmarkt.de Angaben zu den wichtigsten Aufgaben und zu den Qualfikationen. Die Nachfrage nach KI-Fähigkeiten ist in den letzten Jahren stark gestiegen. In den Anzeigen sollten Sie auf Schlüsselbegriffe wie „Maschinelles Lernen“, „Datenanalyse“, „Prompt Engineering“ oder die Namen spezifischer KI-Werkzeuge achten.
  • Interne Skill-Matrizen: Viele Unternehmen definieren strategische Kompetenzen, die für die Zukunft als wichtig erachtet werden. Interne Dokumente, Weiterbildungsprogramme oder das Intranet können Aufschluss darüber geben, welche KI-Kenntnisse im eigenen Unternehmen gefördert werden.
  • Branchenreports und Fachartikel: Publikationen von Branchenverbänden, Beratungsunternehmen oder Fachzeitschriften analysieren den Einfluss der Digitalisierung. Sie zeigen auf, welche KI-Anwendungen und -Kompetenzen in einem bestimmten Sektor an Bedeutung gewinnen.

Vorgehensweise

Eine systematische Vorgehensweise hilft, ein klares Anforderungsprofil zu erstellen.

  1. Sammeln Sie fünf bis zehn relevante Stellenanzeigen für Ihre aktuelle oder gewünschte Rolle.
  2. Extrahieren Sie alle genannten KI-bezogenen Fähigkeiten und Werkzeuge und listen Sie diese auf.
  3. Gruppieren Sie die Anforderungen anhand der zuvor definierten Kompetenzfelder (z.B. Datenverständnis, Prompt Engineering).
  4. Gleichen Sie das Ergebnis mit internen Unternehmensvorgaben und allgemeinen Branchen-Trends ab.

Es ist ratsam, Stellenbeschreibungen nicht als absolute Hürde zu sehen. Bewerber sollten sich auch dann bewerben, wenn sie nicht 100 Prozent der KI-Anforderungen erfüllen. Das Vorstellungsgespräch bietet die Möglichkeit, die tatsächlichen, alltäglichen Anforderungen zu klären, zum Beispiel durch die Frage: „Können Sie ein Beispiel geben, wie KI-Werkzeuge in dieser Rolle konkret eingesetzt werden?“ Das verwandelt die passive Analyse in eine aktive Untersuchung.

Beispiel: Jobrolle und relevante KI-Kompetenzen

Die Relevanz von KI-Kompetenzen variiert stark je nach beruflicher Rolle. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft, wie spezifische Aufgaben und die dafür benötigten KI-Kompetenzen zusammenhängen.

Jobrolle

Typische Aufgaben mit KI-Bezug

Relevante KI-Kompetenzen

Marketing Manager

Personalisierte Kampagnen erstellen, Zielgruppen analysieren, Content-Entwürfe generieren

Prompt Engineering, Datenverständnis, Anwendungskompetenz

Controller

Finanzprognosen validieren, Anomalien in Datensätzen erkennen, Berichte zusammenfassen

Kritisches Denken, Datenanalyse, Anwendungskompetenz

Personalreferent

Bewerbungen vorselektieren, Stellenbeschreibungen optimieren, interne Anfragen via Chatbot bearbeiten

KI-Ethik (Bias-Erkennung), Anwendungskompetenz, Datenverständnis

Projektmanager

Projektpläne optimieren, Risiken identifizieren, Meeting-Protokolle automatisieren

Automatisierung, Anwendungskompetenz, kritisches Denken

Tabelle 2: Jobs und relevante KI-Skills

Schritt 2: Selbstbewertung – Wo stehe ich aktuell?

Nach der Analyse der Anforderungen folgt eine strukturierte und objektive Selbstbewertung der eigenen Fähigkeiten. Das Ziel ist nicht, eine perfekte Punktzahl zu erreichen, sondern eine realistische Ausgangsbasis für die weitere Entwicklung zu schaffen. 

Daten des D21-Digital-Index zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung erhebliche Kompetenzlücken aufweist. Das Wissen um diesen Kontext ist wichtig, um Entmutigung zu vermeiden. Eine identifizierte Lücke ist keine Schwäche, sondern der erste Schritt auf einem Weg des kontinuierlichen Lernens, den die gesamte Arbeitswelt beschreitet.

Fragenkatalog zur Selbsteinschätzung

Ein Katalog gezielter Fragen hilft dabei, das eigene Wissen und die praktischen Fähigkeiten zu reflektieren. Die Fragen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Verständnis und Anwendung. Nachfolgend einige Beispiele.

Verständnisfragen:

  • Kann ich den Unterschied zwischen generativer und analytischer KI erklären?
  • Verstehe ich, was ein Large Language Model (LLM) ist und wie es grundsätzlich funktioniert?
  • Bin ich mir der potenziellen Risiken wie Voreingenommenheit (Bias) und Datenschutzproblemen bei der Nutzung von KI bewusst?

Anwendungsfragen:

  • Setze ich regelmäßig KI-Tools ein, um meine Produktivität bei der Arbeit zu steigern?
  • Kann ich einen Prompt so formulieren und verfeinern, dass das Ergebnis meinen Erwartungen entspricht?
  • Bin ich in der Lage, die Ergebnisse eines KI-Tools kritisch zu bewerten, Fakten zu überprüfen und notwendige Korrekturen vorzunehmen?

Für eine objektivere Einschätzung können etablierte Rahmenwerke und standardisierte Tests herangezogen werden.

EU Digital Competence Framework (DigComp 2.2)

Das ist ein anerkannter europäischer Rahmen zur Bewertung digitaler Kompetenzen. Die Version 2.2 wurde aktualisiert und enthält explizit Beispiele für die Interaktion von Bürgern mit KI-Systemen. Der Anhang des Dokuments listet konkrete Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen auf, die als Referenz für die eigene Selbsteinschätzung dienen können. Dazu gehören das Wissen, was KI-Systeme leisten können, die Fähigkeit, mit ihnen zu interagieren, und eine kritische, aber offene Haltung.

Digicomp 2.2
Digicomp 2.2

D21-Digital-Index

Das ist die umfassendste Studie zur digitalen Gesellschaft in Deutschland. Sie bietet einen nationalen Vergleichswert und zeigt einen erheblichen Nachholbedarf auf. Laut der Studie 2024/2025 verfügen nur 49 Prozent der Deutschen über digitale Basiskompetenzen. Viele unterschätzen zudem den Einfluss von KI auf ihren eigenen Arbeitsplatz, obwohl sie anerkennen, dass KI generell Berufe verändern wird.

Online-Selbsttests

Verschiedene Organisationen bieten Online-Tests zur schnellen Orientierung an. Ein Beispiel ist der „KI-Readiness-Checker“ des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW), der eine Selbsteinschätzung mit Wissensfragen kombiniert. Andere Tests prüfen das Wissen über spezifische KI-Anwendungen und -Werkzeuge. Solche Tests bieten eine erste Orientierung, sind aber weniger umfassend als formale Rahmenwerke wie DigComp.

Schritt 3: Praktischer Test – KI im Alltag ausprobieren

Nach der theoretischen Selbsteinschätzung folgt der praktische Test. Konkrete, berufsnahe Aufgabenstellungen ermöglichen eine realistische Überprüfung der eigenen Fähigkeiten. Die wahre Messgröße für KI-Kompetenz bei diesen Tests ist nicht nur die Qualität des Endergebnisses. Entscheidend ist der Prozess der Erstellung. Dazu gehören die Fähigkeit zur Iteration, also zur schrittweisen Verfeinerung und Verbesserung, die kritische Bewertung von Zwischenergebnissen und die Verbindung von KI-Fähigkeiten mit dem eigenen Fachwissen. Es ist daher empfehlenswert, den eigenen Prozess zu dokumentieren. Ein Protokoll der verwendeten Prompts, der Antworten der KI und der eigenen Korrekturen wird zu einer wertvollen Quelle für die Selbstbewertung.

Aufgabenideen zur praktischen Prüfung

Textgenerierung und -bearbeitung:

  • Aufgabe: Erstellen Sie mit einem KI-Textgenerator einen Entwurf für einen kurzen Fachartikel oder einen ausführlichen Social-Media-Beitrag zu einem Thema aus Ihrem Berufsfeld. Überarbeiten Sie den generierten Text anschließend kritisch. Überprüfen Sie alle Fakten mithilfe verlässlicher externer Quellen. Kennzeichnen Sie klar, welche Passagen Sie direkt übernommen, welche Sie umformuliert und welche Sie komplett neu geschrieben haben.
  • Bewertung: Wie viele Versuche (Prompts) waren nötig, um einen brauchbaren Entwurf zu erhalten? Wie hoch war der Zeitaufwand für die anschließende Faktenprüfung und qualitative Nachbearbeitung?

Datenanalyse mit KI-Tools:

  • Aufgabe: Verwenden Sie eine Tabellenkalkulation mit integrierten KI-Funktionen (z.B. Microsoft Excel mit Copilot) oder ein spezialisiertes Analyse-Tool. Extrahieren Sie aus einem zur Verfügung gestellten Datensatz (z.B. fiktive Verkaufszahlen eines Monats) die drei wichtigsten Trends. Lassen Sie die KI eine passende Visualisierung in Form eines Diagramms vorschlagen und erstellen.
  • Bewertung: Wie effektiv konnten Sie das Werkzeug anleiten, um die gewünschten Informationen zu erhalten? Verstehen Sie die von der KI vorgeschlagenen Analysen und können Sie deren Relevanz für eine geschäftliche Entscheidung bewerten?

Automatisierung einfacher Aufgaben:

  • Aufgabe: Identifizieren Sie eine sich wiederholende, manuelle Aufgabe in Ihrem Arbeitsalltag. Richten Sie mithilfe eines Automatisierungstools (z.B. Zapier, Microsoft Power Automate) einen Workflow ein, der diese Aufgabe übernimmt. Ein Beispiel wäre: „Wenn eine E-Mail mit dem Betreff ‚Wochenbericht‘ ankommt, speichere den Anhang automatisch in einem bestimmten Cloud-Ordner und sende eine Bestätigungsnachricht an den Absender.“
  • Bewertung: Wie intuitiv war die Einrichtung der Automatisierung? Wie zuverlässig funktioniert der Prozess? Wie hoch ist die potenzielle Zeitersparnis pro Woche?

Kreative Prompt-Formulierung:

  • Aufgabe: Führen Sie ein fiktives Interview mit einem Experten oder einer historischen Persönlichkeit, um komplexe Informationen zu einem Fachthema zu erhalten. Weisen Sie der KI dazu mit einem detaillierten Prompt eine spezifische Rolle zu (z.B. „Du bist ein erfahrener Cybersicherheitsexperte. Erkläre mir die drei größten Risiken von Phishing in einfachen Worten, als würdest du es einem neuen Mitarbeiter erklären.“). Versuchen Sie, durch gezielte Nachfragen tiefere Einblicke zu gewinnen.
  • Bewertung: Wie gut konnten Sie die KI in der zugewiesenen Rolle halten? Wie kreativ und präzise waren Ihre Prompts, um die gewünschten Antworten zu erhalten und das Gespräch in die richtige Richtung zu lenken?

Schritt 4: Feedback und Benchmarking

Die Selbstwahrnehmung sollte durch externe Einschätzungen und anerkannte Standards validiert werden. Das schafft ein objektives Bild der eigenen Kompetenzen und positioniert diese im Vergleich zum Arbeitsmarkt.

Einholung externer Einschätzungen

  • Vorgesetzte und Kollegen: Feedback aus dem direkten Arbeitsumfeld ist wertvoll. Präsentieren Sie ein Arbeitsergebnis, das Sie mit KI-Unterstützung erstellt haben. Erklären Sie den Prozess, die genutzten Werkzeuge und die vorgenommenen Anpassungen. Bitten Sie um eine konkrete Einschätzung der Qualität und der Effizienzsteigerung.
  • Mentoren: Erfahrenere Kollegen oder Mentoren können strategische Ratschläge geben. Diskutieren Sie mit ihnen die Ergebnisse Ihrer Selbstbewertung und Ihren geplanten Entwicklungspfad. Sie können oft wertvolle Hinweise zu branchenspezifischen Anforderungen und Lernressourcen geben.

Nutzung von Skill-Assessment-Plattformen und Zertifikaten

In einem sich schnell entwickelnden Feld wie der KI, in dem Jobanforderungen oft unklar definiert sind, sind formale Zertifikate von vertrauenswürdigen Marken ein wichtiges Kompetenzsignal. Sie bieten eine standardisierte und glaubwürdige Möglichkeit, relevante Fähigkeiten und Wissen gegenüber Arbeitgebern zu kommunizieren. Ein Zertifikat reduziert das Einstellungsrisiko für den Arbeitgeber und verschafft dem Kandidaten einen Wettbewerbsvorteil. Es ist ratsam, Zertifikate zu bevorzugen, die von großen Technologieunternehmen unterstützt werden, weil diese den höchsten Signalwert auf dem aktuellen Arbeitsmarkt bieten.  

Der Erwerb eines „Professional Certificate“ ist ein starkes Signal für erworbene und geprüfte Kompetenzen. Führende Technologieunternehmen wie Google, IBM, Microsoft und Meta bieten solche Zertifikate in Partnerschaft mit Lernplattformen an. Diese sind branchenweit anerkannt und können im Lebenslauf oder auf dem LinkedIn-Profil prominent platziert werden.

Anbieter wie Coursera und LinkedIn Learning bieten nicht nur Videokurse, sondern auch interaktive Projekte, Aufgaben und quizbasierte Bewertungen, die eine objektive Messung des Lernfortschritts ermöglichen.

Coursera kooperiert oft mit Universitäten und bietet tiefgehende, akademisch fundierte Kurse und Spezialisierungen an. LinkedIn Learning ist stark auf berufspraktische, oft kürzere Lerneinheiten fokussiert, die sich direkt in den Arbeitsalltag integrieren lassen und eng mit dem beruflichen Netzwerk verknüpft sind.

Untersuchen Sie, welche Zertifikate, Werkzeuge und Fähigkeiten in Ihrer Branche und bei führenden Unternehmen am häufigsten in Stellenanzeigen gefordert werden. Das hilft dabei, den eigenen Entwicklungsplan an den realen Bedürfnissen des Marktes auszurichten.

Schritt 5: Entwicklungsplan

Ein strukturierter, persönlicher Entwicklungsplan ist der letzte Schritt, um die in der Analyse identifizierten Kompetenzlücken gezielt zu schließen.

Identifikation von Lücken

Vergleichen Sie die Ergebnisse aus der Jobanalyse (Schritt 1) mit Ihrer Selbstbewertung (Schritt 2) und den praktischen Tests (Schritt 3). Erstellen Sie eine Liste der Kompetenzfelder, in denen die größte Diskrepanz zwischen den Anforderungen und Ihrem aktuellen Stand besteht. Priorisieren Sie diese Lücken nach ihrer Relevanz für Ihre aktuellen und zukünftigen beruflichen Ziele.

Erstellung eines Lernpfads

Ein gestufter Lernpfad hilft, den Lernprozess zu strukturieren und Überforderung zu vermeiden.

  • Stufe 1: Grundlagen schaffen (Dauer: ca. 1–2 Wochen): Beginnen Sie mit einem grundlegenden, nicht-technischen Kurs, um ein solides Verständnis für die Kernkonzepte, die Terminologie und die Anwendungsfälle von KI aufzubauen. Empfehlung: Kurse wie „AI for Everyone“ von Andrew Ng auf Coursera oder „Career Essentials in Generative AI“ von Microsoft und LinkedIn bieten sich dazu an. Sie decken die Grundlagen, Anwendungsbeispiele und ethische Aspekte ab, ohne technisches Vorwissen vorauszusetzen.
  • Stufe 2: Anwendungskompetenz vertiefen (Dauer: ca. 3–4 Wochen): Konzentrieren Sie sich auf die praktische Anwendung von Werkzeugen, die für Ihre spezifische Rolle relevant sind. Empfehlung: Absolvieren Sie spezialisierte Kurse zu „Prompt Engineering“ und üben Sie gezielt mit Tools für Textgenerierung, Datenanalyse oder Prozessautomatisierung.
  • Stufe 3: Spezialisierung und kontinuierliches Lernen (laufend): Vertiefen Sie Ihr Wissen in einem für Sie besonders relevanten Bereich. Bleiben Sie durch das Verfolgen von Fachmedien, die Teilnahme an Webinaren und den Austausch in Communities auf dem Laufenden. KI ist ein dynamisches Feld, daher ist lebenslanges Lernen unerlässlich.

Lernressourcen im Vergleich

Ressource

Typ

Zielgruppe

Kostenmodell

Besonderheit

Coursera

Kurse, Spezialisierungen, Professional Certificates

Anfänger bis Experten, akademisch Interessierte

Abonnement, Einzelkauf, Audit-Option

Partnerschaften mit führenden Universitäten und Technologieunternehmen (z.B. Google, IBM)

LinkedIn Learning

Kurse, Lernpfade, Professional Certificates

Berufstätige, Fokus auf praktische Anwendung

Abonnement (oft in Premium-Mitgliedschaft enthalten)

Direkte Integration mit dem LinkedIn-Profil, branchennahe Inhalte von Experten

KI-Campus

Kurse, Videos, Podcasts

Studierende, Berufstätige, lebenslang Lernende

Kostenlos

Geförderte deutsche Lernplattform mit Fokus auf den Transfer von Forschung in die Praxis

Tabelle 3: Übersicht KI-Lernressourcen

Checkliste „Bin ich KI-fit für meinen Job?“

Unsere Checkliste dient als kompaktes Werkzeug zur Selbstprüfung. Sie fasst die zentralen Kriterien aus dem Leitfaden zusammen und ermöglicht eine schnelle Orientierung über den eigenen Stand der KI-Kompetenz.

Grundlagenverständnis

  1. Ich verstehe den Unterschied zwischen analytischer und generativer KI.
  2. Ich kann die grundlegenden Funktionen eines Large Language Models (LLM) erklären.
  3. Ich kenne die 2–3 wichtigsten KI-Anwendungen und deren Nutzen in meiner Branche.
  4. Ich habe die KI-Anforderungen in meiner aktuellen oder angestrebten Jobbeschreibung analysiert.

Anwendungskompetenz

  1. Ich nutze regelmäßig KI-Tools, um Routineaufgaben zu beschleunigen.
  2. Ich kann einen mehrstufigen Prompt formulieren, um ein komplexes Ergebnis zu erzielen.
  3. Ich weiß, wie ich die Tonalität, den Stil und das Format einer KI-Antwort gezielt steuern kann.

Kritisches Denken & Verantwortung

  1. Ich überprüfe KI-generierte Fakten systematisch über verlässliche Quellen.
  2. Ich kann potenzielle Voreingenommenheit (Bias) in KI-Ergebnissen erkennen.

10.Ich kenne die Datenschutzrichtlinien der von mir genutzten KI-Tools.

11.Ich gebe niemals sensible Unternehmensdaten oder personenbezogene Daten in öffentliche KI-Tools ein.

12.Ich kenne die grundlegenden Bestimmungen des EU AI Act und ihre Relevanz für meinen Arbeitsbereich.

Weiterentwicklung

  1. Ich habe bereits Feedback von Kollegen oder Vorgesetzten zu einem mit KI erstellten Arbeitsergebnis eingeholt.
  2. Ich habe einen konkreten Plan, welche KI-Kompetenz ich als Nächstes entwickeln möchte.
  3. Ich verfolge aktiv die neuesten Entwicklungen und Werkzeuge im Bereich KI, die für meinen Job relevant sind.

Was unternehme ich, wenn ich feststelle, dass meine KI–Kenntnisse nicht ausreichen?

Die Feststellung von Kompetenzlücken ist kein Grund zur Sorge, sondern der Ausgangspunkt für eine gezielte Weiterentwicklung. Ein Großteil der Berufstätigen befindet sich in einer ähnlichen Situation, da die technologische Entwicklung rasant voranschreitet. Ein planvolles Vorgehen ist entscheidend.

  • Priorisieren: Konzentrieren Sie sich zunächst auf ein oder zwei Kompetenzfelder, die den größten und unmittelbaren Einfluss auf Ihre aktuelle oder zukünftige Rolle haben. Der Versuch, alles auf einmal zu lernen, führt oft zu Überforderung.
  • Kleine Schritte machen: Beginnen Sie mit kleinen, überschaubaren Projekten, um schnell erste Erfolge zu erzielen und Vertrauen aufzubauen. Automatisieren Sie eine kleine, wiederkehrende Aufgabe. Lassen Sie zum Beispiel eine Standard-E-Mail von einer KI formulieren. Jeder kleine Erfolg schafft Motivation für den nächsten Schritt.
  • Lernen zur Gewohnheit machen: Integrieren Sie das Lernen fest in Ihren Wochenplan. Planen Sie beispielsweise ein bis zwei Stunden pro Woche für das Absolvieren eines Online-Kurses oder das Experimentieren mit einem neuen KI-Werkzeug ein. Kontinuität ist oft wichtiger als kurzfristige Intensität.
  • Netzwerk nutzen: Tauschen Sie sich aktiv mit Kollegen, Mentoren oder in Fach-Communities über Erfahrungen mit KI-Werkzeugen aus. Gemeinsames Lernen ist oft effektiver, bietet neue Perspektiven und stärkt die Motivation.

FAQs

Muss ich programmieren können, um KI-Kenntnisse zu haben?

Nein, für die meisten Berufe sind Anwendungskompetenz und ein kritisches Verständnis der Technologie wichtiger als Programmierfähigkeiten.

Welche KI-Kompetenz ist aktuell am wichtigsten?

Die Fähigkeit zum effektiven Prompt Engineering und zur kritischen Bewertung der von KI generierten Ergebnisse ist eine zentrale Alltagskompetenz.

Kann KI meinen Job ersetzen?

KI wird eher einzelne Aufgaben verändern und automatisieren als ganze Jobs ersetzen; Menschen, die KI effektiv nutzen, werden jene ersetzen, die es nicht tun.

Wie viel Zeit sollte ich in die Weiterbildung investieren?

Regelmäßige, kurze Lerneinheiten von wenigen Stunden pro Woche sind oft effektiver als unregelmäßige, mehrtägige Intensivkurse, da sie kontinuierliches Lernen fördern.

Welches Zertifikat hat den größten Wert?

Zertifikate von großen, etablierten Technologieunternehmen wie Microsoft, Google oder IBM haben oft eine hohe Anerkennung auf dem Arbeitsmarkt und signalisieren geprüfte Kompetenz.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.