Unretirement oder die Rückkehr in die Arbeitswelt

Unretirement oder die Rückkehr in die Arbeitswelt

Berufsleben | 01.08.2024

Unretirement oder die Rückkehr in die Arbeitswelt nach dem Eintritt in den Ruhestand ist ein zunehmendes Phänomen. Die Gründe dafür sind verschieden und reichen von finanziellen Notwendigkeiten bis hin zum Wunsch nach Anerkennung und Selbstverwirklichung.

In diesem Beitrag beschreiben wir,

  • Was genau Unretirement ist,
  • Welche Ursachen es dafür gibt,
  • In welchen Ländern Unretirement besonders verbreitet ist,
  • Wer davon betroffen ist,
  • Welche Probleme es bei der Rückkehr in den Job aus dem Ruhestand geben kann,
  • Wie Arbeitgeber von Unretirement profitieren können.

Was ist Unretirement?

Die gängige Definition für Unretirement lautet:

Unretirement ist die Rückkehr in die Arbeit nach dem Eintritt in den Ruhestand - sei es aus eigenem Wunsch oder bedingt durch bestimmte Notwendigkeiten.

Es handelt sich also nicht um eine durchgehende Verlängerung des Arbeitslebens durch ein Aufschieben des Ruhestands. Dabei stellt Unrentirement einen Gegentrend zum sogenannten „Great Retirement“ dar, als im Zuge der Corona-Pandemie viele Arbeitnehmer ihren Job aufgaben. Im Unterschied zur bisherigen binären Entscheidung zwischen Arbeit und Ruhestand bietet Unretirement außerdem die Möglichkeit eines fließenden Übergangs.

Welche Gründe gibt es für Unretirement?

Generell lassen sich zwei Beweggründe für Unretirement finden:

  • Aus eigenem Wunsch
  • Aufgrund von Notwendigkeiten

Unretirement aus eigenem Wunsch kann zum Beispiel stattfinden, um noch einmal Bestätigung zu erhalten oder sich weiterzuentwickeln. Immer mehr Arbeitnehmer haben auch über das Erreichen des Rentenalters hinaus den Wunsch, sich konstruktiv und produktiv einzubringen. Die Fortsetzung des Erwerbslebens bietet dafür eine gute Möglichkeit. Nicht zu vergessen ist das Bedürfnis nach sozialer Interaktion, das ebenfalls einen Beweggrund zur Rückkehr ins Berufsleben darstellen kann.

Auch finanzielle und wirtschaftliche Beweggründe können dazu führen, aus dem Ruhestand heraus wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten. Eine zu geringe Rente, bestehende Schulden oder der Wunsch, Abstriche am Lebensstil zu vermeiden, gehören dazu. Hier ist zu beobachten, dass diejenigen, die mit ihrem Einkommen für andere sorgen, eher zum Unretirement tendieren - zum Beispiel dann, wenn sie der einzige oder der Hauptverdiener im Haushalt sind. Auch Lebensereignisse wie eine Trennung oder der Tod des Partners können den Ausschlag geben.

Nachfolgend sind einige der häufigsten Gründe für Unretirement aufgeführt:

In welchen Ländern ist Unretirement besonders verbreitet?

In einer Studie, in welcher die Unretirement-Rate von sechs verschiedenen Ländern verglichen wurde, lag Japan mit einem Anteil von 64 Prozent weit vorne. Das Schlusslicht bildet Spanien mit gerade einmal zehn Prozent. Der Durchschnitt für alle betrachteten Länder lag bei 33 Prozent.  Der hohe Anteil in Japan lässt sich vermutlich zum Teil durch den recht hohen Altersschnitt im Land erklären, der bei rund 49 Jahren liegt. Die demographischen Strukturen führen dazu, dass immer weniger junge Arbeitnehmer zur Verfügung stehen und die älteren einspringen müssen.

Demgegenüber könnte der recht geringe Anteil von Unretirement in Spanien auf das vergleichsweise hohe Rentenniveau im Land zurückzuführen sein, so dass weniger Notwendigkeit für einen Zuverdienst besteht.

Wer ist von Unretirement betroffen?

Je nach Qualifikation der Arbeitnehmer zeigt sich eine unterschiedliche Bereitschaft zur Rückkehr in den Job nach dem Ruhestand. Dabei sind vor allem die hoch qualifizierten und die gering qualifizierten Arbeitnehmer willens, noch einmal durchzustarten, während diejenigen in der Mitte etwas zurückhaltender sind. Das kann verschiedene Ursachen haben:

Jobs mit einer mittleren Qualifikation lassen sich häufiger automatisieren als solche, die eine hohe oder eine geringe Qualifikation voraussetzen.

Diejenigen, die zuvor einen Job mit einer durchschnittlichen Qualifikation ausgeübt haben, sind seltener bereit, einen Job mit einer geringeren Qualifikation anzunehmen als diejenigen im oberen und unteren Bereich der Skala.

Für hoch qualifizierte Arbeitnehmer ist der Wunsch nach Selbstverwirklichung besonders groß. Für gering qualifizierte Arbeitnehmer dominieren oftmals finanzielle Beweggründe.

Mögliche Probleme bei der Rückkehr in den Job nach dem Ruhestand

Nicht jedem, der Unretirement betreiben will, gelingt das auch. Dem stehen nämlich verschiedene, potentielle Hürden entgegen:

  • Gesundheitliche Probleme: Auch leichte Einschränkungen wie zum Beispiel ein nachlassendes Sehvermögen können zur Folge haben, dass man den gewünschten Job nicht bekommt. Besonders diejenigen, die im Lauf ihres Berufslebens harter körperlicher Arbeit nachgegangen sind, können von gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alter betroffen sein.
  • Altersdiskriminierung: Die Diskriminierung älterer Mitarbeiter durch Kollegen oder Vorgesetzte kann problematisch sein. Altersdiskriminierung kann sich auch dadurch äußern, dass Unternehmen ältere Bewerber gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch einladen, geschweige denn, ihnen einen Job geben.
  • Technologischer Wandel: Auch wenn dieser Grund häufig als mögliches Problem für ältere Arbeitnehmer dargestellt wird, so wird er vermutlich deutlich überschätzt. Auch ältere Menschen sind in der heutigen Zeit in der Regel auf der Höhe der Technik, und technisches Spezialwissen, das für den Job benötigt wird, lässt sich einfach in Trainings und bei der täglichen Arbeit vermitteln.
  • Fehlende finanzielle Anreize: Wenn durch die Aufnahme einer bezahlten Arbeit die Ansprüche an die Rente oder Pension sinken und gleichzeitig die Steuerlast steigt, kann das dazu führen, dass Unretirement unrentabel wird. Das betrifft vor allem diejenigen, die aus finanziellen Gründen wieder arbeiten wollen.

Was es braucht, um Arbeit im Alter attraktiver zu machen

Sowohl in den Unternehmen als auch in der Politik und nicht zuletzt in der Gesellschaft kann einiges dazu getan werden, um Anreize für Altersarbeit zu setzen.

  • Förderung des Gesundheitssystems: Wenn es gelingt, die Gesundheit der Menschen möglichst bis ins hohe Alter zu erhalten, kann sich dies positiv auf den Anteil älterer Menschen am Arbeitsmarkt auswirken. Dazu sind Investitionen in das Gesundheitssystem notwendig, die beispielsweise prophylaktische Behandlungen, Kurse und Beratungsangebote fördern sowie die fachärztliche Versorgung verbessern.
  • Finanzielle Anreize: Wer im Alter arbeitet, sollte davon auch finanziell profitieren. Abzüge von der Rente oder hohe Steuern sind kontraproduktiv. Der Staat muss sich der Tatsache bewusst sein, dass jede zusätzlich geleistete Arbeitsstunde die Gesellschaft voranbringt, und dies auch entsprechend honorieren.
  • Training im Job für ältere Mitarbeiter: Hier bieten sich zum Beispiel Paarungen aus älteren und jüngeren Kollegen an. Auf diese Weise findet ein intensiver Austausch statt, der wirkungsvoller sein kann als Frontalunterricht in einer großen Gruppe.
  • Vermeidung von Altersdiskriminierung: Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, der sich alle stellen müssen. Im Zuge des demographischen Wandels wird der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung und damit auch ihr Einfluss steigen. Das könnte das Ausmaß von Altersdiskriminierung reduzieren.

Unternehmen müssen aktiv an einer Unternehmenskultur arbeiten, die Diversität fördert und damit auch Altersdiskriminierung entgegenwirkt.

Auch Selbständigkeit als Alternative fördern: Arbeiten im Alter muss nicht in Form abhängiger Beschäftigung erfolgen. Ältere Menschen haben im Lauf ihres Lebens viele Erfahrungen gesammelt, die sie anderen auch als selbständige Unternehmer vermitteln können. Um dies zu fördern, sollte der Staat entsprechende Anreize setzen wie zum Beispiel Fördermittel zur Unternehmensgründung im Alter sowie entsprechende Trainingsangebote.

Wie Unternehmen von Ruhestands-Rückkehrern profitieren können

Ältere Arbeitnehmer bringen einen breiten Erfahrungsschatz mit, über den ihre jungen Kolleginnen und Kollegen noch nicht verfügen können - sei es mit Blick auf organisatorische, fachliche oder auch zwischenmenschliche Aspekte.

Aus diesem Grund bietet es sich an, wenn Ruhestands-Rückkehrer eine Rolle als Coach, Mentor oder Trainer übernehmen.

Zudem bietet eine Mischung aus älteren und jüngeren Menschen im Team die Chance für mehr Diversität, was der Leistung des gesamten Teams zugutekommen kann.

Fazit

Unretirement und damit die Präsenz älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt bietet umfangreiche Chancen: für Arbeitnehmer, die ihren Job noch länger ausüben möchten und die damit entweder finanzielle oder persönliche Interessen verfolgen, für die Unternehmen, indem sie Zugriff auf erfahrene Fachkräfte erhalten, für jüngere Arbeitnehmer, um von den älteren zu lernen und für die Gesellschaft, die gerade jede zusätzliche Arbeitskraft brauchen kann, um aus der Krise zu kommen.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.