Der Familienstand in der Bewerbung

Der Familienstand in der Bewerbung

Professionell bewerben | 14.10.2018

Muss und soll ich den Familienstand in der Bewerbung angeben? Kann mir daraus ein Vorteil oder ein Nachteil gegenüber meine Mitbewerbern erwachsen. Lernen Sie in diesem Artikel, wie Sie den Familienstand zu Ihrem Vorteil einsetzen.

Müssen Sie Ihren Familienstand in der Bewerbung angeben?

Die klare Antwort lautet zunächst: Nein, aus juristischen Gründen müssen Sie das nicht. Es war früher Pflicht, doch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 eliminierte den Familienstand als Pflichtangabe aus den Bewerbungsunterlagen, um Diskriminierungen zu verhindern. Er darf aber freiwillig nach wie vor genannt werden. Nun fragt es sich, ob Sie ihn angeben oder nicht.

Familienstand in der Bewerbung angeben: Für und Wider

Der Gesetzgeber hat 2006 die pflichtgemäße Angabe des Familienstands in Bewerbungsschreiben gestrichen, weil EU-Antidiskriminierungsrichtlinien jede Benachteiligung etwa von Alleinerziehenden untersagen.

Es gibt noch mehr Dinge, die Sie nicht angeben müssen, unter anderem Ihre Hautfarbe und Herkunft. Das ist sicher gut so, es birgt aber im Fall des Familienstands auch Konflikte. Wenn Sie sich als 30-jährige Frau bewerben, wird der Arbeitgeber vermuten, dass Sie Mutter sind.

Nun spielt eine Rolle, wie viele Kinder sie haben und ob nötigenfalls ein Ehepartner die Betreuung übernehmen kann, wenn Sie Überstunden leisten bzw. ob Sie oft wegen Ihrer Kinder krankgeschrieben sein werden. Dabei kann Ihr Arbeitgeber in spe noch gar nicht wissen, wie Sie diesen Fall managen. Vielleicht springt Ihre Mutter ein, die Hausfrau ist und immer Zeit für die Enkel hat.

Zweitens könnten Sie viele Dinge im Home-Office erledigen, drittens könnten Sie fachlich so eine Koryphäe sein, dass wenige Ausfälle pro Jahr wegen eines kranken Kindes zu verschmerzen wären und Sie ohnehin aufgrund einer hochgradigen Selbstorganisation (helfende Mutter, Homeoffice, Arbeitszeitverlagerung, Delegieren von Aufgaben) diese Ausfälle kompensieren könnten. Und genau um diese Fachkompetenz soll es schließlich bei Ihrer Bewerbung gehen - nicht aber um Ihren Familienstand oder Ihre Kinder.

Was sollte überhaupt der Familienstand in der Bewerbung?

In der Tat fragen sich jüngere Berufstätige, wieso überhaupt jemals in Bewerbungen der Familienstand erfragt wurde. Dahinter standen sehr traditionelle Rollenmodelle sowohl in Bezug auf die Berufsausübung als auch auf die Familienstruktur. Unterschieden werden konnten

  • der Familienvater, der als Alleinernährer Frau und Kinder versorgt,
  • Doppelverdiener mit Kindern,
  • Doppelverdiener ohne Kinder,
  • Singles mit Kindern sowie
  • Singles ohne Kinder (aber altersabhängig wahrscheinlich mit Kinderwunsch).

Der Personalchef zog aus der jeweiligen Konstellation seine Schlüsse. So konnte ein allein verdienender Familienvater ein sehr loyaler Kollege sein, der bei Konflikten eher nachgibt und auch zu Überstunden bereit ist, ein Single ohne Kinder konnte grenzenlos belastbar sein, Doppelverdiener ohne Kinder saßen auf einem dicken Stuhl, weil sie sich temporäre Arbeitslosigkeit einfach leisten konnte, Doppelverdiener mit Kindern gaben das Idealbild einer tüchtigen Familie ab, mussten aber stets die Kinderbetreuung organisieren. Singles mit Kindern - Alleinerziehende - waren der schwierigste Fall, hier drohten stets und ständig Ausfälle. Diese Konstellationen gibt es natürlich immer noch, nur hat sich die Bewertung geändert. Die Arbeits- und die Familienwelten haben sich gleichermaßen geändert, die alten Rollen werden nicht mehr wie im 20. Jahrhundert ausgefüllt. Es war daher an der Zeit, früheren Vorurteilen zu begegnen.

Wann erfährt der Arbeitgeber Ihren Familienstand?

Natürlich werden Sie Ihren Familienstand nicht verheimlichen, das würde kurios wirken. Er besagt aber in einer Gesellschaft, in der (je nach Region) nur 50 Prozent aller Erwachsenen verheiratet sind, die anderen aber in (temporär angelegten) Paarbeziehungen leben, ohnehin nicht viel. Wirklich wesentlich sind für Ihre Berufsausübung nur kleinere Kinder, die bei Ihnen leben, doch auch für deren Betreuung wird heute sehr flexibel gesorgt. Wenn Sie einen Bürojob antreten, können Sie vieles vom Home-Office aus erledigen. Ihr Familienstand - verheiratet, geschieden, ledig oder verwitwet - sagt also bestenfalls etwas über Ihre soziale Integration aus. Diese spielt je nach Unternehmen eine mehr oder weniger große Rolle. Natürlich wird ein Personalchef darüber nachdenken, ob Sie Ihr Privatleben aufgrund Ihres Familienstands eher ablenken oder in der Spur halten könnte. Doch wie ablenkungs- und konfliktreich sich dieses Privatleben gestaltet, kann er nicht wissen. Sie können durch eine unglückliche Ehe ebenso wie als Single auf allabendlicher Pirsch sehr abgelenkt sein - oder umgekehrt. Ihre Ehe kann Sie stützen, Ihr Singledasein kann Ihnen den ausschließlichen Fokus auf den Job erlauben. Also müssen Sie nicht den Familienstand in der Bewerbung angeben, er wird heute eher beiläufig im Vorstellungsgespräch erwähnt.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.