Ist die Forderung nach Homeoffice 2026 noch zeitgemäß?

Ist die Forderung nach Homeoffice 2026 noch zeitgemäß?

Berufsleben | 17.12.2025

Ist die Forderung nach Homeoffice auch in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation noch zeitgemäß? Wir zeigen, warum das der Fall ist und worauf Arbeitnehmer achten sollten.

Was vor kurzem noch in vielen Jobs fast als selbstverständlich galt, hat sich heute zu einem der zentralen Verhandlungspunkte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern entwickelt: das Homeoffice. In vielen Unternehmen herrscht derzeit eine angespannte Stimmung, wenn die Geschäftsführung zur Rückkehr in die Büroräume aufruft. 

Ein typisches Szenario in einem mittelständischen Betrieb verdeutlicht das: Die Nachricht, dass die Präsenzpflicht von einem auf drei Tage erhöht wird, sorgt in der Belegschaft für Unmut, weil das Homeoffice längst fest in die private Lebensplanung integriert wurde. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Forderung nach Homeoffice in der aktuellen wirtschaftlichen Lage noch zeitgemäß ist oder ob die Tendenz zurück zum Schreibtisch im Büro unvermeidbar erscheint.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die Homeoffice-Quote in Deutschland hat sich stabil bei rund 25 Prozent eingependelt und ist kein vorübergehendes Phänomen.
  • Aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten fordern Unternehmen wieder verstärkt Präsenz, um Prozesse besser kontrollieren zu können,
  • Durch den sogenannten „Proximity Bias“ werden Mitarbeitende im Homeoffice bei Beförderungen oft unbewusst benachteiligt.
  • Während Dienstleister häufig mobil arbeiten, ist dies im Baugewerbe oder Handel kaum möglich.
  • Erfolgreiche Arbeitsmodelle kombinieren Flexibilität mit Verbindlichkeit, etwa durch feste Teamtage oder projektbezogene Präsenzphasen.

Die Realität der mobilen Arbeit in Deutschland

Entgegen der oft hitzigen öffentlichen Debatte zeigen die Daten namhafter Institute eine bemerkenswerte Stabilität. Das ifo Institut berichtet, dass sich die Homeoffice-Quote in Deutschland bei knapp 25 Prozent stabilisiert hat. Im Februar 2025 lag dieser Anteil bei 24,5 Prozent, was unterstreicht, dass mobile Arbeit kein vorübergehendes Phänomen war und ist.

Das Statistische Bundesamt bestätigt diese Tendenz und gibt für das Jahr 2024 einen Wert von 24 Prozent an

Wie häufig Homeoffice genutzt wird. Quelle: Statistisches Bundesamt
Wie häufig Homeoffice genutzt wird. Quelle: Statistisches Bundesamt

Unterschiede je nach Branche

Innerhalb der verschiedenen Wirtschaftszweige zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede. Während Dienstleister mit einer Quote von über 34 Prozent die Vorreiterrolle einnehmen, bleiben das verarbeitende Gewerbe mit knapp 17 Prozent und der Handel mit 12,5 Prozent deutlich dahinter zurück. Das Schlusslicht bildet das Baugewerbe, bei dem die Art der Tätigkeit nur in etwa 4,6 Prozent der Fälle mobiles Arbeiten zulässt. Diese Differenzierung ist wichtig, weil sie zeigt, dass die Diskussion um die Zeitgemäßheit der Forderung immer im Kontext der spezifischen Branche geführt werden muss.

Internationaler Vergleich

Ein internationaler Vergleich innerhalb der EU verdeutlicht, dass Deutschland bei der Nutzung von Homeoffice im vorderen Mittelfeld liegt - zumindest, wenn es um die regelmäßige Inanspruchnahme von Homeoffice geht.

Während der Anteil der betreffenden Arbeitnehmer in Deutschland bei 13 Prozent liegt, sind es in Finnland, dem Land mit dem höchsten Anteil, 22,3 Prozent. Schlusslicht ist Bulgarien mit 1,1 Prozent.

Tabelle 1: Anteil der Arbeitnehmer mit gelegentlichem oder gewöhnlichem Homeoffice. Quelle: eurostat.
Tabelle 1: Anteil der Arbeitnehmer mit gelegentlichem oder gewöhnlichem Homeoffice. Quelle: eurostat.

Die schwierige Wirtschaftslage

Die aktuelle konjunkturelle Lage in Deutschland übt einen erheblichen Druck auf die Gestaltung der Arbeitsmodelle aus. Im Jahr 2026 sieht sich die deutsche Wirtschaft mit einer stagnierenden Produktion und hohen Kosten für Energie und Bürokratie konfrontiert. Das Institut der deutschen Wirtschaft weist darauf hin, dass jedes dritte Unternehmen für das Jahr 2026 einen Stellenabbau plant. In solchen Phasen der Unsicherheit neigen Führungskräfte dazu, bewährte Kontrollmechanismen wieder zu aktivieren.

Wenn Unternehmen unter Kostendruck stehen, werden Benefits und Flexibilität oft als erste Einsparpotenziale identifiziert. Reisen werden gestrichen, Budgets für Weiterbildung gekürzt und die Präsenz im Büro wird wieder stärker eingefordert, weil die Führungsebene sich davon eine bessere Steuerbarkeit der Prozesse verspricht. Für die Beschäftigten bedeutet das konkret mehr Leistungsdruck und eine stärkere Kontrolle des Outputs.

 Die Angst vor einem Jobabbau führt dazu, dass viele Arbeitnehmer vorsichtiger werden und Homeoffice weniger als Recht, sondern eher als verhandelbares Privileg betrachten. Wer als unbequem gilt, fürchtet in Umstrukturierungsphasen schneller auf der Liste für Entlassungen zu stehen.

Das Problem mit dem Proximity Bias

Ein wesentliches Problem bei der dauerhaften Arbeit im Homeoffice ist der sogenannte Proximity Bias. Dieses psychologische Phänomen beschreibt die unbewusste Bevorzugung von Mitarbeitern, die räumlich näher an der Führungskraft arbeiten. Das Risiko, aus den Augen und damit aus dem Sinn zu geraten, ist real. Ein im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführtes Experiment zeigt, dass Beschäftigte im Homeoffice oft schlechter bewertet werden, wenn es um eine Beförderung geht. Besonders betroffen sind kinderlose Männer. 

Es herrscht oft die Vorstellung vor, dass nur derjenige wirklich engagiert ist, der auch physisch im Büro erscheint. Das führt dazu, dass Homeoffice oft nur noch als still ausgehandelter Deal existiert, bei dem die Beschäftigten im Gegenzug eine ständige Erreichbarkeit und überdurchschnittliche Ergebnisse liefern müssen, um ihre Daseinsberechtigung aus der Ferne zu beweisen. Diese Selbstausbeutung wird durch die Entgrenzung von Arbeit und Privatleben noch verstärkt. Rund 60 Prozent der Homeoffice-Nutzenden gaben 2023 in einer Umfrage der Hans Böckler Stiftung an, dass die Grenzen zwischen Job und Freizeit verschwimmen.

Für wen ist Homeoffice noch zeitgemäß?

Ob die Arbeit im Homeoffice auch im Jahr 2026 noch sinnvoll und zeitgemäß ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab - allen voran von der Branche und dem ausgeübten Beruf. 

Wissensarbeit versus Produktion

In der Wissensarbeit, wo Ergebnisse primär digital erzeugt werden, ist die Forderung nach Homeoffice absolut zeitgemäß. Hier bieten digitale Tools alle notwendigen Voraussetzungen für eine effiziente Erledigung der Aufgaben. In produktionsnahen Bereichen dagegen bleibt die Präsenz oft zwingend erforderlich. Hier muss die Frage erlaubt sein, wie Unternehmen eine Spaltung der Belegschaft verhindern können, wenn ein Teil der Belegschaft Flexibilität genießt, während der andere Teil ortsgebunden bleibt.

Lebensphasen und die Lernkurve

Besonders für Eltern und Pendler ist Homeoffice ein entscheidendes Kriterium bei der Arbeitgeberwahl. Die Zeitersparnis durch den Wegfall langer Pendelstrecken erhöht die Lebensqualität massiv und ist ein starkes Argument gegen den Fachkräftemangel.

Ganz anders stellt sich die Situation für Berufseinsteiger dar. Junge Talente benötigen oft eine steilere Lernkurve, die durch direktes Feedback und das Beobachten erfahrener Kollegen im Büro begünstigt wird. Wer seine Karriere im Homeoffice beginnt, läuft Gefahr, wichtige soziale Kompetenzen und das implizite Wissen der Unternehmenskultur langsamer aufzunehmen. Hier ist eine stärkere Präsenz in der Anfangsphase oft sinnvoll und zeitgemäß.

Unternehmenstypen und Strukturen

Großunternehmen verfügen häufig über etablierte Betriebsvereinbarungen, die den Rahmen für mobiles Arbeiten klar definieren und vor Willkür schützen. Im Mittelstand dagegen hängt vieles von der individuellen Einstellung der Führungskraft ab. In Start-ups wird Homeoffice oft als Teil der DNA begriffen, doch auch hier gibt es Trends zurück zu festen Bürotagen, um die Teamidentifikation zu stärken.

Was Arbeitgeber hören wollen und wie man dies als Mitarbeiter bedienen kann

Beschäftigte, die heute erfolgreich über Homeoffice verhandeln möchten, müssen die Sorgen der Arbeitgeber adressieren. Die typischen Ängste betreffen mangelnde Erreichbarkeit, sinkende Teamdynamik und erschwertes Onboarding. Wer Flexibilität fordert, sollte im Gegenzug Verbindlichkeit anbieten.

Ein moderner Ansatz ist die Definition von Kernzeiten, in denen eine unmittelbare Antwortbereitschaft garantiert wird. Transparenz ist hierbei das wichtigste Instrument. Die Nutzung von digitalen Boards oder Ticket-Systemen erlaubt es, den Arbeitsfortschritt sichtbar zu machen, ohne dass eine physische Kontrolle nötig ist.

Zudem sollten Beschäftigte von sich aus vorschlagen, für wichtige Workshops, Teamrituale oder kritische Projektphasen im Büro zu erscheinen. Diese proaktive Flexibilität signalisiert, dass das betriebliche Interesse an erster Stelle steht.

Drei zukunftsfähige Modelle für die Praxis

In vielen Unternehmen haben sich spezifische  Formen von Homeoffice bewährt, die als zeitgemäße Antwort auf die Homeoffice-Debatte gelten können:

  1. Das Hybrid-Modell mit Teamtagen: Hier werden zwei fixe Präsenztage pro Woche für die gesamte Abteilung festgelegt. Diese Zeit wird gezielt für Besprechungen, Kreativprozesse und den sozialen Austausch genutzt. Die restlichen drei Tage können flexibel im Homeoffice verbracht werden.
  2. Das Projektphasen-Modell: Die Präsenz richtet sich nach dem Projektverlauf. In der Kickoff-Phase und zum Projektabschluss arbeitet das Team vor Ort zusammen. Die eigentliche Umsetzungsphase, die oft hohe Konzentration erfordert, findet remote statt.
  3. Das Wegzeit-Modell: Dieses Modell orientiert sich an der Entfernung zum Arbeitsplatz. Beschäftigte mit langen Pendelwegen erhalten ein höheres Kontingent an Homeoffice-Tagen, verpflichten sich aber zur Teilnahme an allen strategisch relevanten Terminen vor Ort.

Red Flags: Wenn Homeoffice-Forderungen schaden können

Es gibt Situationen, in denen das Beharren auf Homeoffice die eigene Position schwächen kann. Wenn die Unternehmenskultur massiv auf Präsenz ausgerichtet ist und Abwesenheit hart sanktioniert wird, kann eine Forderung nach Flexibilität als mangelndes Engagement missverstanden werden.

 Ein deutliches Warnzeichen ist es, wenn Leistung primär über Sichtbarkeit und nicht über Ergebnisse bewertet wird. In einem Umfeld mit unklaren Zielen und chaotischen Prozessen wird das Homeoffice oft zum Sündenbock für Fehlentwicklungen gemacht.

In solchen Fällen ist es ratsam, pragmatisch abzuwägen, ob eine Anpassung an die Präsenzkultur, ein Teamwechsel oder langfristig ein Arbeitgeberwechsel die bessere Strategie für die eigene Karriere ist.

Fazit: Das Homeoffice als reifes Arbeitsbündnis

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Forderung nach Homeoffice auch im Jahr 2026 absolut zeitgemäß ist. Sie hat sich von einem symbolischen Privileg zu einem funktionalen Bestandteil der modernen Arbeitswelt entwickelt. Dennoch hat sich die Natur der Forderung gewandelt. Es geht heute weniger um ein pauschales Recht auf Abwesenheit, sondern um ein modernes Arbeitsbündnis, das Flexibilität mit hoher Verbindlichkeit koppelt.

Homeoffice bleibt gerade in Zeiten wirtschaftlicher Belastung und steigender Lebenshaltungskosten ein wichtiges Instrument, um die Attraktivität als Arbeitgeber zu wahren und die Produktivität hochzuhalten. Erfolgreich wird dieses Modell jedoch nur dann sein, wenn sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte den Mut haben, alte Kontrollmechanismen durch vertrauensbasierte Führung und klare Ergebnisorientierung zu ersetzen. Der Weg führt daher nicht zurück in die starren Strukturen der Vergangenheit, sondern nach vorn in eine reifere Arbeitskultur, in welcher der Arbeitsort dort gewählt wird, wo die beste Leistung für das gemeinsame Ziel erbracht werden kann.

FAQs

Hat sich die Homeoffice-Quote in Deutschland nach der Pandemie deutlich verringert?

Die Quote ist stabil geblieben und liegt aktuell bei knapp 25 Prozent aller Erwerbstätigen. Das zeigt, dass mobiles Arbeiten dauerhaft etabliert ist.

Warum fordern manche Unternehmen ihre Beschäftigten trotz stabiler Zahlen wieder stärker ins Büro?

Hinter diesen Forderungen stehen oft der Wunsch nach besserer Kontrolle in wirtschaftlich unsicheren Zeiten sowie die Sorge um den Erhalt der Unternehmenskultur.

Welche Rolle spielt die Entfernung zum Wohnort bei der Nutzung von Homeoffice?

Beschäftigte mit einem Arbeitsweg von über 50 Kilometern nutzen Homeoffice mit einer Quote von 42 Prozent deutlich häufiger als Personen mit kurzem Arbeitsweg.

Gibt es Berufe, in denen Homeoffice kaum möglich ist?

In Branchen wie dem Baugewerbe, dem Gesundheitswesen oder dem Einzelhandel liegen die Quoten aufgrund der Art der Tätigkeit oft unter 10 Prozent.

Welche Risiken birgt dauerhaftes Homeoffice für die persönliche Karriere?

Ein wesentliches Risiko ist der Proximity Bias, weil physisch präsente Mitarbeitende oft unbewusst bevorzugt werden und die Sichtbarkeit im Homeoffice sinkt.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.