Während auf der einen Seite vor allem von Vertretern der Wirtschaft die im internationalen Vergleich niedrigen Arbeitszeiten in Deutschland kritisiert werden, leisten viele Beschäftigte zahlreiche Überstunden, und das oftmals unbezahlt. Von den im Jahr 2023 insgesamt 1,3 Milliarden geleisteten Überstunden waren nach Aussage des Bundesarbeitsministeriums (Bericht auf tagesschau.de) 775 Millionen Überstunden und damit deutlich mehr als die Hälfte unbezahlt. Insgesamt ergeben sich damit im Durchschnitt 31,6 Überstunden pro Arbeitnehmer und Jahr. Im Vergleich zum Jahr 2022 ist die Zahl der Überstunden um etwa 100 Millionen gesunken.
Aus Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist die Anzahl der bezahlten Überstunden im Jahr 2023 auf den niedrigsten Wert seit 2016 gesunken.
Umfrage: Mehr als ein Drittel leistet regelmäßig Überstunden
Laut einer aktuellen Umfrage von jobtensor.com leisten 36 Prozent der 1.000 Befragten regelmäßig Überstunden. Bei den Jüngeren im Alter von 18 bis 29 Jahren betrifft das sogar rund die Hälfte der Beschäftigten. Fast drei Viertel der Arbeitnehmer arbeiten zumindest gelegentlich länger, als dies im Arbeitsvertrag vereinbart wurde.
Die Angaben der Befragten zur Kompensation von Überstunden passen recht gut zu den oben genannten Zahlen des Bundesarbeitsministeriums. So sind Überstunden bei etwa 20 Prozent der Beschäftigten Bestandteil des Arbeitsvertrags und werden nicht bezahlt oder durch Freizeit ausgeglichen. Immerhin 78 Prozent haben jedoch die Möglichkeit, geleistete Mehrarbeit abzufeiern. 39 Prozent erklärten, dass sie für geleistete Überstunden eine Vergütung erhalten.
Hohe Qualifikation schützt nicht vor Überstunden
Auch hoch qualifizierte Arbeitnehmer berichten von regelmäßigen Überstunden. So erklärten zum Beispiel 37 Prozent der Beschäftigten aus dem MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), dass sie regelmäßig länger arbeiten. Mit 42 Prozent dieser Gruppe erhalten auch hier weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer eine finanzielle Entschädigung für ihre Mehrarbeit.
Arbeitgeber sollten auf die Signale achten
In Zeiten herrschenden Fachkräftemangels können regelmäßige Überstunden zu einem ernsthaften Problem für Arbeitgeber werden - nämlich dann, wenn sie dazu führen, dass Beschäftigte einen Arbeitgeberwechsel erwägen. Nach den Ergebnissen der Umfrage trägt sich etwa ein Viertel der Arbeitnehmer, die regelmäßig Überstunden leisten müssen, mit dem Gedanken, wegen der zu leistenden Überstunden den Job zu wechseln. Zudem empfindet mehr als die Hälfte dieser Arbeitnehmer besonders hohen Stress aufgrund der langen Arbeitszeit. Zum Vergleich: Von denen ohne regelmäßige Überstunden klagen nur 19 Prozent über solchen Stress.