Dunning Kruger Effekt: Wenn aus Selbstvertrauen Selbstüberschätzung wird

Dunning Kruger Effekt: Wenn aus Selbstvertrauen Selbstüberschätzung wird

Berufsleben | 31.03.2025

Selbstüberschätzung im Berufsleben und ihre Folgen

Selbstvertrauen ist essenziell für den beruflichen Erfolg. Doch manchmal führt es zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung, in der eigene Kompetenzen überbewertet werden. Dieses Phänomen wird als "Dunning-Kruger-Effekt" bezeichnet. In diesem Artikel erfahren Sie, wie sich der Effekt auf die Karriere auswirkt, welche wissenschaftlichen Hintergründe es dazu gibt und wie Sie Ihre eigene Selbstwahrnehmung optimieren können.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt die Selbstüberschätzung von Personen mit geringen Fachkenntnissen.
  • Diese Fehleinschätzung kann zu gravierenden Fehlern im Berufsleben führen, da eigene Schwächen ignoriert werden.
  • Selbstreflexion, Feedback von Experten und kontinuierliches Lernen helfen, den Effekt zu minimieren.
  • Das „Impostor-Syndrom“ ist das Gegenstück: Hochqualifizierte Personen unterschätzen oft ihre eigenen Fähigkeiten.

Was ist der Dunning-Kruger-Effekt? Wissenschaftliche Einordnung

Der Begriff geht auf die Psychologen David Dunning und Justin Kruger  zurück, die 1999 eine Studie zur verzerrten Selbstwahrnehmung durchführten.

Dabei fanden sie heraus, dass Menschen mit geringen Fähigkeiten ihre eigene Kompetenz stark überschätzen und gleichzeitig die Expertise anderer unterschätzen.

Wichtige Erkenntnisse aus der Studie:

  • Unwissenheit kann zu übermäßigem Selbstvertrauen führen.
  • Fehlendes Fachwissen erschwert die Einschätzung der eigenen Kompetenz.
  • Erst durch Lernen und Erfahrung erkennen Menschen ihre ursprüngliche Inkompetenz.

Dieses Phänomen kann nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in anderen Bereichen wie Politik, Medizin oder Investments beobachtet werden.

Quelle: https://psycnet.apa.org/doiLanding?doi=10.1037%2F0022-3514.77.6.1121

 

Praxisbeispiele aus dem Berufsalltag

Berufseinsteiger: Ein neuer Mitarbeiter im Vertrieb glaubt, nach wenigen Wochen bereits Experte zu sein, weil er einige erfolgreiche Kundengespräche geführt hat. Er ignoriert jedoch, dass erfahrene Kollegen komplexere Verhandlungstechniken und Marktkenntnisse besitzen.

Projektmanagement: Eine unerfahrene Führungskraft trifft riskante Entscheidungen ohne ausreichend Informationen einzuholen, da sie ihre strategischen Fähigkeiten überschätzt.

Fachkräfte im Wandel: Ein langjähriger Mitarbeiter in der IT lehnt neue Technologien ab, da er glaubt, seine bisherigen Methoden seien weiterhin die besten. In Wirklichkeit hat sich das Fachgebiet weiterentwickelt, und sein Wissen ist veraltet.

Die vier Stufen des Dunning-Kruger-Effekts

1. Unbewusste Inkompetenz: Fehlendes Wissen verhindert die richtige Selbsteinschätzung

Am Anfang einer neuen Fähigkeit oder eines neuen Wissensgebiets erleben viele Menschen eine Phase extremer Selbstüberschätzung. Weil sie erste Grundlagen schnell verstehen, glauben sie, das Thema bereits vollständig zu beherrschen.

🔹 Typische Gedanken: „Das ist ja total einfach! Ich habe das voll drauf!“
🔹 Gefahr: Diese Personen erkennen nicht, was sie noch nicht wissen und neigen dazu, die Expertise anderer zu unterschätzen.
🔹 Beispiel: Ein Einsteiger in der Fotografie macht ein paar gute Handyfotos und fühlt sich sofort wie ein Profi – ohne zu wissen, was Blende, ISO oder Belichtungszeit bedeuten.

➡  Wer sich auf dem „Gipfel der Ignoranz“ befindet, neigt zu voreiligen Urteilen. Der wahre Lernprozess beginnt erst, wenn erste Wissenslücken sichtbar werden.

2. Fehlendes Problembewusstsein: Fehler werden nicht als solche erkannt, Kritik wird ignoriert.

Nach der anfänglichen Euphorie folgt oft ein harter Realitätscheck: Man erkennt plötzlich, wie viel man eigentlich nicht weiß. Das führt zu Frustration, Unsicherheit und manchmal sogar zur Aufgabe.

🔹 Typische Gedanken: „Warum ist das auf einmal so kompliziert? Ich werde das nie verstehen…“
🔹 Gefahr: Viele Menschen verlieren in dieser Phase die Motivation, weil sie den Eindruck haben, dass sie nicht „gut genug“ sind.
🔹 Beispiel: Ein Anfänger, der sich nach den ersten Erfolgen in die Tiefe eines Themas wagt (z. B. Programmierung), merkt plötzlich, wie komplex es wirklich ist – und fühlt sich überfordert.

➡  Wer durchhält und sich weiterbildet, kann diesen Tiefpunkt überwinden. Der Schlüssel liegt darin, Fehler als Teil des Lernprozesses zu akzeptieren und gezielt Wissen aufzubauen.

3. Pfad der Erkenntnis (Lernen & Fortschritt)

Nach dem Tal der Verzweiflung beginnt der langsame Aufstieg zur echten Kompetenz. In dieser Phase erkennen Menschen, dass Lernen ein kontinuierlicher Prozess ist und dass wahre Expertise Zeit braucht.

🔹 Typische Gedanken: „Ich weiß, dass ich vieles nicht weiß, aber ich kann mich verbessern.“
🔹 Herausforderung: Das Lernen kann sich manchmal langsam und mühsam anfühlen. Es erfordert Geduld, Übung und Offenheit für Feedback.
🔹 Beispiel: Ein Musikschüler, der anfangs dachte, Klavierspielen sei einfach, lernt nun komplexe Stücke und versteht die Feinheiten von Technik und Theorie.

➡ Wer auf diesem Pfad bleibt, entwickelt eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und gewinnt Vertrauen in den eigenen Fortschritt.

4. Plateau der wahren Kompetenz (Reflektierte Expertise)

Nach vielen Lernstunden, Fehlern und Erfahrungen erreicht man den Punkt der wahren Kompetenz. Hier verstehen Menschen nicht nur ihr Fachgebiet, sondern auch dessen Komplexität und Grenzen.

🔹 Typische Gedanken: „Ich verstehe das Thema gut, aber es gibt immer noch mehr zu lernen.“
🔹 Merkmale: Echte Experten treten oft bescheiden und reflektiert auf, weil sie wissen, dass kein Wissen absolut ist.
🔹 Beispiel: Ein erfahrener Softwareentwickler weiß, dass er zwar Experte in seiner Sprache ist, aber dass es immer neue Technologien und Methoden zu entdecken gibt.

➡  Wer dieses Plateau erreicht, hat nicht nur Wissen, sondern auch eine realistische Selbsteinschätzung – und bleibt weiterhin lernbereit.

 

 

Dunning Kruger Effekt - Die 4 Phasen der Selbsteinschätzung
Dunning Kruger Effekt - Die 4 Phasen der Selbsteinschätzung

Selbsttest: Wie realistisch ist Ihre Selbsteinschätzung?

Beantworten Sie folgende Fragen ehrlich:

  • Fühlen Sie sich oft in Themen sicher, ohne tiefere Fachkenntnisse zu haben?
  • Ignorieren Sie oft Kritik oder Ratschläge von erfahreneren Kollegen?
  • Glauben Sie, dass Ihre Intuition oft besser ist als Expertenmeinungen?

Falls Sie einige dieser Fragen mit "Ja" beantworten, lohnt es sich, Ihre Selbstwahrnehmung kritisch zu hinterfragen.

Strategien zur Verbesserung der Selbsteinschätzung

Wer den Dunning-Kruger-Effekt vermeiden will, sollte aktiv an seiner Selbstwahrnehmung arbeiten. Hier einige bewährte Methoden:

 1. Feedback von Experten einholen

Regelmäßiges Feedback von Fachkräften hilft, blinde Flecken zu erkennen und realistische Einschätzungen zu entwickeln.

2. Kontinuierliches Lernen

Lernen Sie, sich in neuen Fachgebieten stets weiterzubilden. Fortbildungen, Fachliteratur und Mentoring sind wertvolle Ressourcen.

3. Selbstreflexion trainieren

Führen Sie ein "Selbstreflexionstagebuch", in dem Sie wöchentliche Herausforderungen und Erkenntnisse festhalten.

4. Kritik als Chance sehen

Konstruktives Feedback sollte als Entwicklungsmöglichkeit und nicht als Angriff wahrgenommen werden.

Das Gegenteil des Dunning-Kruger-Effekts: Impostor-Syndrom

Während der Dunning-Kruger-Effekt dazu führt, dass Menschen ihre Fähigkeiten überbewerten, gibt es auch das Gegenteil: das Impostor-Syndrom. Hierbei zweifeln hochqualifizierte Personen an ihren eigenen Fähigkeiten und haben Angst, als "Betrüger" entlarvt zu werden. Beide Phänomene zeigen, wie wichtig eine realistische Selbsteinschätzung ist.

Fazit: Bewusst reflektieren und realistische Einschätzung entwickeln

Der Dunning-Kruger-Effekt kann im Berufsleben schwerwiegende Folgen haben. Um ihn zu vermeiden, sind Selbstreflexion, kontinuierliches Lernen und konstruktives Feedback essenziell. Eine realistische Selbsteinschätzung fördert nicht nur die persönliche Karriereentwicklung, sondern verbessert auch das Arbeitsklima und die Zusammenarbeit im Team.

Checkliste: Sind Sie vor dem Dunning-Kruger-Effekt geschützt?

✅ Nehme ich regelmäßig Feedback von Experten an?

✅ Bin ich bereit, eigene Wissenslücken einzugestehen?

✅ Lerne ich kontinuierlich weiter?

✅ Sehe ich Fehler als Lernchance?

Falls Sie einige dieser Punkte nicht mit "Ja" beantworten können, lohnt es sich, aktiv an Ihrer Selbstwahrnehmung zu arbeiten. Denn nur wer die eigenen Grenzen erkennt, kann daran wachsen!

Ute Luippold

Autor: Ute Luippold

Ute Luippold begann ihre Karriere vor über 35 Jahren in der internationalen Hotel- und Managementbranche. Ihre umfassende Berufserfahrung – sowohl im operativen Geschäft als auch in strategischen Positionen – lässt sie heute in ihre Beiträge für das Karrieremagazin einfließen. Mit fundiertem Fachwissen und einem Gespür für aktuelle Trends schreibt sie praxisnahe Artikel zu den Themen Karriere, Arbeitswelt und Bewerbung. Ihr Anliegen: Lesern Orientierung geben, Perspektiven aufzeigen und sie auf ihrem beruflichen Weg inspirieren und unterstützen.