Teilzeitarbeit mal anders: Das Modell Jobsharing
Die Arbeitswelt hat sich verändert und im Zeitalter der Digitalisierung tut sie es noch weiter. Homeoffice wird in vielen Unternehmen zur gängigen Praxis. Und auch in Bezug auf die Arbeitszeiten ändert sich einiges. Vollzeitstellen müssen längst nicht mehr mit nur einer Person besetzt werden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass zwei (manchmal sogar mehr) Mitarbeiter sich einen Arbeitsplatz teilen.
Wie das geht? Im Grunde ganz einfach: Die Arbeitnehmer, die sich eine Stelle teilen, legen eigenverantwortlich fest, an welchen Arbeitstagen sie jeweils wie viele Stunden arbeiten. Auch Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche werden gemeinsam untereinander vereinbart. Die Jobsharing Partner müssen am Ende auf die Gesamtarbeitszeit der zu besetzenden Stelle kommen und die Ziele, die vom Unternehmen vorgegeben werden, erreichen. Der Weg dahin kann relativ flexibel vereinbart werden.
Zusammenarbeit mal anders
Die klassische Vollzeitstelle ist heute nicht mehr so attraktiv wie einst. Arbeitnehmer wünschen sich mehr Gestaltungsspielraum zwischen Freizeit und Arbeit sowie neue Möglichkeiten der Arbeitsplatzgestaltung. Es geht um Individualismus, Reduzierung von Leistungsdruck und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Gründe für Jobsharing können sein:
- Kinderbetreuung/ Kindererziehung
- der Wunsch nach mehr Freizeit
- zusätzlicher anderer Job
- soziales Engagement
- Zeit für ein Hobby
- Gesundheit/ Entlastung
Jobsharing: Was ist das eigentlich?
Jobsharing wird mit Arbeitsplatzteilung übersetzt. In der Praxis bedeutet das, dass mehrere Arbeitnehmer sich eine, meist höherrangige, Position teilen. Dabei sind die Stellen oftmals mit verantwortungsvollen Aufgabenfeldern oder anspruchsvollen Tätigkeiten besetzt. Nicht selten handelt es sich dabei auch um Führungspositionen.
Der Unterschied zur regulären Teilzeitstelle ist: Die Kollegen, die sich diese Stelle teilen, müssen sich hinsichtlich ihrer Zuständigkeiten und Arbeitszeiten absprechen. Sie begeben sich damit in eine gewisse Abhängigkeit voneinander, die durchaus Vorteile mit sich bringen kann. So müssen zum Beispiel schwierige und komplexe Entscheidungen nicht mehr allein getroffen werden.
1+1= Mehrwert
Auch Arbeitgeber profitieren von Jobsharing. Denn die Fähigkeiten und Soft Skills zweier Mitarbeiter werden auf eine Stelle zusammengeführt und ergeben im Idealfall ein funktionierendes, kompetentes Team, das Unternehmenserfolge garantiert.
Beim Jobsharing teilen sich Mitarbeiter nicht nur einen Arbeitsplatz, sie sprechen auch untereinander ihre Verantwortlichkeiten ab und nehmen damit diese Aufgabe ihren Vorgesetzten ab. Auch die Vertretungsregelung ist in der Regel optimal geregelt, denn Jobsharer vertreten sich so, dass es nicht zu Ausfällen kommt.
Allerdings müssen Arbeitgeber darauf achten, dass sie im Arbeitsvertrag eine "Vertretungsregelung zur grundsätzlichen Bereitschaft der Arbeitnehmer zur Übernahme einer Vertretung" einfügen. Nur so wird wirklich gewährleistet, dass der andere Arbeitnehmer den ausgefallenen Arbeitnehmer auch vertritt.
Variationen von Jobsharing-Modellen
Jobsharing kann auf unterschiedliche Art und Weise in der beruflichen Praxis umgesetzt werden. Es wird unterschieden zwischen:
Job-Splitting
Es wird lediglich die Arbeitszeit aufgeteilt, sonst haben Arbeitnehmer ihren eigenen Aufgabenbereich. Absprachen untereinander sind nicht erforderlich.
Job-Pairing
Die Arbeitnehmer müssen sich eng untereinander abstimmen. Sie treffen gemeinsam Entscheidungen und tragen auch gemeinsam die Verantwortung dafür. Für Einzelkämpfer und Individualisten ist dieses Modell eher nicht geeignet.
Top-Sharing
Führungskräfte teilen sich eine Position.
Gute Gründe für Jobsharing
- weniger Arbeitszeit für den Einzelnen und gleichzeitiges Beibehalten einer höheren Stelle
- bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Umsetzung von Selbstverwirklichung und anderen Verpflichtungen möglich
- vor allem für Führungskräfte oder Angestellte in gehobenen Positionen geeignet
- spannende Projekte können trotz weniger Arbeitszeit übernommen werden, da sie geteilt werden
- mehr Kreativität und Innovation durch unterschiedlichen Input
- mehr Flexibilität für die Mitarbeiter
- Verantwortung wird geteilt, das beugt Leistungsdruck und Stress vor (geteiltes Leid ist halbes Leid)
- zufriedeneres Personal, weil nicht die komplette Verantwortlichkeit auf einer Person lastet
- jeder kann seine Stärken einbringen, so kommt das Beste zusammen
- Krankheits- und Urlaubsausfälle können besser kompensiert werden
- Verringerung der Fehlerquote, weil mehrere Mitarbeiter involviert sind
- geballte Wissenspower
- Servicezeiten werden ideal abgedeckt
Worauf beim Jobsharing zu achten ist
- Meistens muss ein Arbeitsplan erstellt werden. Dieser hat rechtsverbindliche Wirkung für alle.
- Gegenseitige Abhängigkeiten entstehen durch die intensive Zusammenarbeit. (Hat ein Jobsharer Probleme, bekommt es der andere eher mit.)
- Die Jobsharer müssen menschlich zusammenpassen, sonst funktioniert das Arbeiten im Tandem nicht.
- Stimmen Chemie und Arbeitseinstellung nicht, dann ist das Konfliktpotential hoch.
- Differenzen zwischen den Jobsharern können Unruhe und Chaos ins gesamte Team bringen.
- Es ergeben sich höherer Verwaltungsaufwand und mehr Lohnkosten.
- Jobsharing erfordert eine ausgeklügelte Organisation und einen guten Planungsaufwand.
Grundsteine für gelingendes Jobsharing
Eine moderne und offene Unternehmensphilosophie bildet die Basis für Jobsharing. Die Gegebenheiten müssen passen, sonst funktioniert es in der Praxis nicht. Heißt: Der Arbeitgeber muss sich offen zeigen und seinen Toleranzbereich entsprechend erweitern. Dann muss geeignetes und interessiertes Personal gefunden werden und die Stellen müssen so aufgebaut sein, dass sie Jobsharing realistisch möglich machen.
Stärkung und Rückenwind durch Vorgesetzte und die Chefetage sind das A und O. Es steht und fällt mit dem gesamten Team, ob Jobsharing funktioniert. Bei der Planung einer Jobsharing-Stelle ist strategisches Vorgehen durch ein professionelles HR-Team gefragt. Dieses sollte solche Stellen stimmig ins Unternehmen inkludieren.
Weitere Rahmenbedingungen für erfolgreiches Jobsharing sind:
- regelmäßiger Informationsaustausch unter den Arbeitnehmern
- reibungslose interne Abläufe, Optimierung von Prozessen
- Transparenz zwischen den Schnittstellen
- Abstimmung unter den Beteiligten, Zuverlässigkeit der Sharing-Partner
- Vertrauen der anderen Kollegen
Was Jobsharer mitbringen müssen:
- Offenheit
- Kommunikationsstärke
- notwendige Flexibilität
- Empathie
- Kompromissbereitschaft
- Sympathie
Wo wird Jobsharing umgesetzt?
Im Bereich der Pflege ist das Arbeitszeitmodell Jobsharing bereits angekommen. Auch Ärzte teilen sich hoch dotierte Stellen. Jobsharing kann aber auch gut in allen Führungspositionen, auf Behörden, im Management, in großen Abteilungen oder Teams umgesetzt werden. Unternehmen mit einer modernen Unternehmenskultur lassen die neue Art von Teilzeitarbeit längst bei sich praktizieren. In kleinen Handwerksbetrieben oder mittelständischen Firmen hingegen werden immer noch die klassischen Arbeitsplätze in Vollzeit bevorzugt.
Rechtlich betrachtet ein Teilzeitjob
Die rechtliche Grundlage des Jobsharing bildet §13 des Teilzeitbefristungsgesetzes (Tzbfg).
Der Arbeitgeber vereinbart vertraglich mit zwei oder mehr Arbeitnehmern, dass diese sich eine Stelle teilen. Es besteht dabei ein Sonderkündigungsschutz. Bricht einer der Jobsharing Partner weg, weil er kündigt, darf der andere seine Stelle nicht automatisch verlieren. Der Arbeitgeber muss für einen personellen Ersatz sorgen oder eine andere Alternative, etwa eine passende andere Stelle vergeben.
Vergütung und Urlaubsansprüche werden genauso gehandhabt wie bei anderen Teilzeitkräften. Die Arbeitnehmer haben also anteilig Anspruch auf Entlohnung, Urlaub sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Vorteilhaft ist es, einen Arbeitsplan zu erstellen, in welchem Arbeitszeiten, Einteilung der Aufgaben und Vertretungen geregelt werden. Dies kann Bestandteil des Arbeitsvertrages sein und ist dann rechtlich bindend für die Jobsharer.
Die gängigsten Modelle für Jobsharing
Meistens teilen sich einfach zwei Arbeitnehmer eine Vollzeitstelle, die Aufteilung ist klassisch 50:50. So können sich zwei Teilzeitkräfte gut einen Posten mit Führungsverantwortung oder ein Vollzeitprojekt teilen. Es ist aber auch möglich, die Stelle auf 70:30, 60:40 oder 80:20 aufzuteilen. Die Konstellation 60:60 ist ebenfalls üblich. Gerade bei Stellen mit hohem Anforderungsprofil wird eine Stelle mit mehr als 100% Arbeitszeit besetzt von zwei Arbeitnehmern.
Eine weitere Möglichkeit ist, wenn in Führungspositionen anteilig ein Stellenanteil auf den Posten fällt. Heißt also: Ein Arbeitnehmer widmet 20% seiner Arbeitszeit für die Jobsharing-Stelle und den Rest seiner Arbeitszeit auf eine andere Stelle im Unternehmen. Er übernimmt also nur zum Teil eine Führungsaufgabe.
Der Trend Jobsharing etabliert sich
Jobsharing ist: Gemeinsam arbeiten, Verantwortlichkeit teilen und flexibleren Spielraum für alle schaffen. Der Trend der Arbeitsplatzteilung etabliert sich zu einem anerkannten Arbeitszeitmodell mit Zukunft. Jobsharing deckt die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen ab, ohne dass dabei individuelle Bedürfnisse hintenanstehen müssen oder Unternehmenserfolge gefährdet sind. Einen Versuch ist es wert.