Unternehmenskultur unter der Lupe: Checkliste für Bewerber

Unternehmenskultur unter der Lupe: Checkliste für Bewerber

Professionell bewerben | 22.04.2024

Unternehmenskultur kann den Unterschied ausmachen: Entdecken Sie, wie sie die Arbeitszufriedenheit beeinflusst und wie Bewerber sie richtig einschätzen.

In der Geschäftswelt gibt es oft Situationen, in denen hochqualifizierte Kandidaten vor der schwierigen Entscheidung stehen, zwischen zwei scheinbar ähnlichen Jobangeboten zu wählen. Nehmen wir das Beispiel von Frau Müller. Sie hatte Angebote von zwei renommierten Unternehmen, beide mit exzellenten Karrierechancen und vergleichbaren Gehaltspaketen und Rahmenbedingungen. Doch bei den Vorstellungsgesprächen bemerkte sie subtile Unterschiede.

Bei Unternehmen A spürte sie eine Atmosphäre der Offenheit, sah Teams, die in lebhaften Diskussionen vertieft waren, und bemerkte eine allgemeine Energie im Büro. Bei Unternehmen B hingegen schienen die Mitarbeiter weniger interaktiv, und es herrschte eine formellere, distanzierte Atmosphäre. Frau Müller entschied sich für Firma A, nicht allein aufgrund der offensichtlichen Vorteile, sondern wegen der zugrunde liegenden Unternehmenskultur.

Dieser oft übersehene Aspekt kann entscheidend sein für die Arbeitszufriedenheit und Produktivität eines Mitarbeiters.  Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff "Unternehmenskultur"? In diesem Artikel werden wir tiefer in die Bedeutung der Unternehmenskultur eintauchen und wie Bewerber sie effektiv bewerten können.

Definition: Was genau ist Unternehmenskultur?

Die Unternehmenskultur ist das unsichtbare Fundament, auf dem ein Unternehmen aufgebaut ist. Sie spiegelt die kollektive Identität des Unternehmens wider und beeinflusst, wie Entscheidungen getroffen werden, wie Konflikte gelöst werden und wie Erfolge gefeiert werden. Oftmals wird sie durch die Geschichte, Mission und Vision des Unternehmens geprägt. Eine starke Unternehmenskultur fördert das Engagement und die Loyalität der Mitarbeiter, da sie sich mit den Werten und Zielen des Unternehmens identifizieren können. Sie kann auch als ein entscheidender Wettbewerbsvorteil dienen, da sie dazu beiträgt, Talente anzuziehen und zu halten. In Zeiten des Wandels oder der Veränderung dient die Firmenkultur als Anker, der Orientierung und Stabilität bietet. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass nicht jede Unternehmenskultur für jeden Mitarbeiter oder Bewerber geeignet ist. Daher ist es für beide Seiten von Vorteil, die Kultur zu verstehen und sicherzustellen, dass sie gut zueinander passen.

Warum eine positive Unternehmenskultur so wichtig für Mitarbeiter ist

Für Arbeitnehmer hat die Unternehmenskultur konkrete Auswirkungen. Eine positive Kultur sorgt für: 

  • Höhere Motivation und Zufriedenheit am Arbeitsplatz
  • Bessere Entfaltung der eigenen Fähigkeiten
  • Angenehmes Arbeitsklima und gute Teamarbeit
  • Work-Life-Balance durch flexible Arbeitsmodelle
  • Spannende Aufgaben und Entwicklungschancen
  • Anerkennung der eigenen Leistung
  • Zudem beeinflusst die Kultur, ob man sich langfristig an ein Unternehmen bindet und dessen Ziele unterstützt. 

Wenn Sie nun wissen möchten, wie Sie als Bewerber eine gute von einer schlechten Unternehmenskultur unterscheiden können, haben wir eine hilfreiche Checkliste für Sie zusammengestellt. 

Checkliste: Woran man eine gute Unternehmenskultur erkennt

  • Gemeinsame Werte wie Respekt, Fairness und Vertrauen
  • Wie geht man miteinander um? Herrscht eine wertschätzende Atmosphäre?
  • Partizipativer, wertschätzender Führungsstil
  • Werden Mitarbeiter einbezogen? Können sie sich einbringen?
  • Offene Kommunikation und transparente Informationen
  • Sind Informationen für alle zugänglich?
  • Konstruktives Feedback und produktive Fehlerkultur
  • Werden Fehler als Lernchance gesehen?
  • Flexible Arbeitsbedingungen und Work-Life-Balance
  • Hat man Gestaltungsspielraum bei Arbeitszeit und -ort?
  • Raum für Kreativität, Innovation und eigene Ideen
  • Sind neue Ansätze erwünscht?
  • Kontinuierliche Personalentwicklung und Weiterbildung
  • Werden Potenziale der Mitarbeiter gefördert?
  • Events, Teambildung und soziale Benefits
  • Gibt es gemeinsame Aktivitäten und Sozialleistungen?
  • Vorbildliche Projekte und Arbeitsergebnisse
  • Spiegeln sie Innovationskraft und Qualität wider?
  • Positive Erfahrungsberichte und Bewertungen von Mitarbeitern
  • Empfehlen aktuelle und ehemalige Mitarbeiter den Arbeitgeber?
  • Authentische Darstellung in der Außenkommunikation
  • Passt die Employer Brand zu den tatsächlichen Werten?
  • Aktive Mitgestaltung durch jeden einzelnen Mitarbeiter
  • Hat man Möglichkeiten, die Firmenkultur mitzuprägen?

Diese Aspekte geben einen umfassenden Eindruck, ob man sich als Mitarbeiter oder Bewerber in der Unternehmenskultur wohlfühlen kann. Aber wie können Sie als Bewerber diese Aspekte in der Praxis überprüfen?

Tipps: So schätzt man als Bewerber die Unternehmenskultur ein

Als Bewerber gibt es diverse Möglichkeiten, sich ein Bild zu machen:  

  • Unternehmenswebseite und Social Media checken
  • Erfahrungsberichte und Bewertungen von Mitarbeitern lesen
  • Im Bewerbungsgespräch gezielt nachfragen
  • Mitarbeiter außerhalb des Bewerbungsprozesses kontaktieren

So findet man heraus, ob einem die Kultur des Unternehmens zusagt. Ein weiterer wichtiger Punkt, den Bewerber bei ihrer Recherche berücksichtigen sollten, ist die Stellenanzeige.

Stellenanzeigen als Spiegel der Unternehmenskultur

Neben den oben genannten Tipps zur Einschätzung der Unternehmenskultur gibt es einen weiteren wichtigen Anhaltspunkt, den Bewerber nicht übersehen sollten: die Stellenanzeige selbst. Bereits in der Stellenanzeige können sich Indikatoren verbergen, die auf potenzielle Warnsignale in Bezug auf die Unternehmenskultur hinweisen. Hier sind einige Punkte, auf die Bewerber achten sollten:

Ungenau definierte Rollen: Wenn die Jobbeschreibung vage ist oder sich widersprüchlich anhört, könnte dies auf mangelnde Klarheit oder Organisation im Unternehmen hinweisen.

Überbetonung von Überstunden: Formulierungen wie "Bereitschaft zu langen Arbeitszeiten" oder "flexible Arbeitszeiten erforderlich" könnten bedeuten, dass Überstunden die Regel sind.

Schnelle Beförderungsversprechen: Während Aufstiegsmöglichkeiten positiv sind, könnten unrealistische Beförderungsversprechen ein Zeichen für hohe Fluktuation oder mangelnde Stabilität sein.

Fehlende Benefits: Wenn ein Unternehmen keine oder nur sehr wenige Zusatzleistungen (wie Weiterbildung, Gesundheitsvorteile oder Altersvorsorge) anbietet, könnte dies auf mangelnde Investition in die Mitarbeiter hinweisen.

Unprofessionelle Sprache: Eine Stellenanzeige, die in einem unprofessionellen Ton verfasst ist oder Rechtschreibfehler enthält, könnte auf mangelnde Sorgfalt oder Professionalität im Unternehmen hinweisen.

Hohe Anforderungen, niedriges Gehalt: Wenn die Anforderungen für eine Position besonders hoch sind, das angebotene Gehalt jedoch unter dem Marktdurchschnitt liegt, könnte dies auf eine Unterbewertung der Mitarbeiter hindeuten.

Häufige Neuausschreibungen und Einstellungen: Wenn Sie bemerken, dass dieselbe Position in kurzen Abständen immer wieder ausgeschrieben wird, könnte dies auf eine hohe Fluktuation oder Unzufriedenheit in dieser spezifischen Rolle hinweisen.

Fehlende Unternehmenswerte: Wenn in der Anzeige keine oder nur sehr vage Unternehmenswerte oder -kultur beschrieben werden, könnte dies auf eine fehlende oder schwache Kultur hinweisen.

Es ist wichtig, Stellenanzeigen kritisch zu betrachten und bei Bedarf im Bewerbungsgespräch gezielte Fragen zu stellen, um ein besseres Verständnis für die Unternehmenskultur und die spezifische Rolle zu erhalten.  

Neben den offensichtlichen Merkmalen gibt es auch subtilere Charakteristika, die die Unternehmenskultur prägen.  

Typische Merkmale von Unternehmenskulturen

Die Unternehmenskultur wird maßgeblich durch bestimmte Charakteristika geprägt. Hier einige typische Merkmale, die man als Bewerber im Blick haben sollte:

  • Internationales Umfeld: Die Firma hat Standorte oder Kunden im Ausland. Interkulturelle Zusammenarbeit ist wichtig.
  • Innovatives Umfeld: Großer Fokus auf Innovation, Kreativität und neue Ideen. Dynamisches und agiles Arbeiten.
  • Startup-Kultur: Junges, wachsendes Unternehmen. Flache Hierarchien, schnelle Entscheidungen.
  • Konzernumfeld: Teil eines großen Konzerns mit vielen Hierarchieebenen und festen Strukturen.
  • Familienfreundlich: Angebote wie flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuung etc. die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern.
  • Diversity: Vielfalt und Inklusion werden großgeschrieben, diversifizierte Belegschaft.
  • Nachhaltigkeit: Social Responsibility und ökologische Nachhaltigkeit haben hohen Stellenwert.
  • Mitarbeiterorientierung: Der Fokus liegt auf Zufriedenheit und Entwicklung der Mitarbeiter.
  • Leistungsorientierung: Hoher Leistungsanspruch und Wettbewerb zwischen Mitarbeitern.
  • Work-Life-Balance: Ausgewogene Balance zwischen Arbeits- und Privatleben hat Priorität.
  • Flache Hierarchien: Wenige Hierarchieebenen im Unternehmen. Hohe Eigenverantwortung.
  • Traditionelles Familienunternehmen: Über Generationen im Familienbesitz. Eher konservativ, hierarchisch.
  • Modernes Familienunternehmen: Familiär geführt, aber modern und zeitgemäß.
  • Mittelständler: Flexibles Unternehmen mittlerer Größe, oft inhabergeführt.
  • Hidden Champion: Marktführer in einer Nische, oft unbekannt.
  • Agiles Arbeiten: Flexible, selbstorganisierte Teams. Fokus auf Iteration.
  • Lean Management: Verschwendung vermeiden, effizient arbeiten.

Während es viele positive Aspekte gibt, die eine Unternehmenskultur auszeichnen können, gibt es auch potenzielle Fallstricke und Warnsignale, die Bewerber beachten sollten

Rote Flaggen bei der Unternehmenskultur

Während positive Aspekte der Unternehmenskultur oft hervorgehoben werden, ist es ebenso wichtig, potenzielle Warnsignale zu erkennen, die auf eine weniger vorteilhafte Kultur hinweisen könnten. Hier sind einige "rote Flaggen", die Bewerber beachten sollten:

Hohe Fluktuation: Ein ständiger Wechsel von Mitarbeitern kann auf Unzufriedenheit oder mangelnde Bindung an das Unternehmen hinweisen.
Unklare Erwartungen: Wenn Rollen und Verantwortlichkeiten nicht klar definiert sind, kann dies zu Frustration und Konflikten führen.
Mangelnde Kommunikation: Unternehmen, die nicht regelmäßig mit ihren Mitarbeitern kommunizieren oder wichtige Informationen zurückhalten, können ein Problem mit der Transparenz haben.
Ständige Überstunden: Wenn von den Mitarbeitern ständig erwartet wird, dass sie lange Stunden arbeiten, kann dies auf ein Problem mit der Work-Life-Balance oder ineffiziente Arbeitsprozesse hinweisen.
Negative Bewertungen: Websites wie Glassdoor oder Kununu können Einblicke in die Mitarbeiterzufriedenheit bieten. Eine Häufung negativer Bewertungen sollte ernst genommen werden.
Mangelnde Anerkennung: Wenn gute Leistungen nicht anerkannt oder belohnt werden, kann dies die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter beeinträchtigen.

Es ist wichtig, diese Faktoren als Warnsignale zu beachten und im Bewerbungsprozess gezielt nachzuhaken, um ein vollständiges Bild von der Unternehmenskultur zu erhalten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Unternehmenskultur ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg und das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter ist. 

Fazit: Eine Analyse der Organisationskultur gibt wertvolle Einblicke

Die Unternehmenskultur ist nicht nur das unsichtbare Rückgrat eines jeden Unternehmens, sondern auch ein entscheidender Faktor, der das Arbeitsklima, die Mitarbeiterzufriedenheit und letztlich auch den Unternehmenserfolg maßgeblich beeinflusst. Für Bewerber bildet eine sorgfältige Analyse der Kultur potenzieller Arbeitgeber eine unerlässliche Grundlage, um eine informierte Entscheidung zu treffen, die über die reinen Jobanforderungen und Gehaltsaussichten hinausgeht. Die Kultur eines Unternehmens beeinflusst nicht nur das tägliche Miteinander, sondern auch die Karriereentwicklung, das Wohlbefinden und die Work-Life-Balance der Mitarbeiter. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass Bewerber und Unternehmen kulturell zueinander passen, um eine fruchtbare und langfristige Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Die Checkliste und Tipps in diesem Artikel bieten Bewerbern einen soliden Ausgangspunkt, um die Unternehmenskultur zu bewerten und zu entscheiden, ob sie mit ihren eigenen Werten und Arbeitsweisen in Einklang steht. Dabei geht es nicht nur darum, positive Aspekte einer Kultur zu identifizieren, sondern auch mögliche "rote Flaggen" frühzeitig zu erkennen und zu bewerten. In einer Zeit, in der der Arbeitsmarkt sich ständig wandelt und neue Herausforderungen mit sich bringt, ist die Fähigkeit, das richtige Arbeitsumfeld zu wählen, entscheidender denn je. Daher sollte die Kultur eines Unternehmens nicht als "weicher Faktor" betrachtet werden, sondern als zentrales Element bei der Auswahl eines neuen Arbeitgebers.

In der Praxis bedeutet dies, dass Bewerber aktiv Strategien zur Bewertung der Unternehmenskultur anwenden und auch selbst während des Bewerbungsprozesses die Initiative ergreifen sollten, um Fragen zu stellen und die Kultur zu erleben, wo immer es möglich ist. Denn letztendlich ist es die Übereinstimmung von persönlichen und unternehmerischen Werten, die zu einer erfolgreichen und erfüllenden beruflichen Laufbahn führt. So wird nicht nur sichergestellt, dass Mitarbeiter ihre Fähigkeiten und Talente voll entfalten können, sondern auch, dass Unternehmen von motivierten, engagierten und zufriedenen Mitarbeitern profitieren, die sich mit den Unternehmenszielen identifizieren und diese aktiv verfolgen.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.

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