Robo-Recruiting: Wie können Sie die Bewerbungssoftware überlisten?

Robo-Recruiting: Wie können Sie die Bewerbungssoftware überlisten?

Berufsleben | 26.11.2018

Viele Unternehmen setzen auf Robo-Recruiting, also die automatische Auswertung von Online-Bewerbungen. Lernen Sie in diesem Artikel wie Sie mit bestimmten Standardantworten die Bewerbungssoftware überlisten können.

Warum gibt es Robo-Recruiting?

Der Hintergrund für den Einsatz softwaregestützter Auswahlverfahren ist die Schwierigkeit, Stellen adäquat zu besetzen. Damit kämpfen rund 60 % aller deutschen Unternehmen. Dieses Ergebnis geht aus einer Bitkom-Studie hervor, für die über 300 inländische Unternehmen befragt wurden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass rund 25 % der Stellen deshalb nicht besetzt werden, weil der Bewerber von sich aus während des Auswahlverfahrens absagt.

Das wirft naturgemäß Fragen bei den Personalchefs auf. Die Studie konnte die wichtigste Antwort liefern: Der Faktor Zeit spielt eine überragende Rolle, denn 94 % der absagenden Bewerber bekamen inzwischen einen Job in einem anderen Unternehmen, das einfach schneller war. Das führt zwangsläufig zum Druck, das Auswahlverfahren schneller durchzuführen, was mit einer Bewerbungssoftware gelingen kann.

Die Erfolgsquote des dadurch automatisierten Verfahrens liegt umso höher, je größer das Unternehmen ist. Es liegen dann einfach wesentlich mehr Daten von Bewerbern vor, die eine wirkliche Auswahl nach bestimmten Kriterien ermöglichen. Dementsprechend nutzen große Unternehmen schon vergleichsweise oft HR-Software: 34 Prozent von ihnen vertrauen dieser Technik, bei den kleinen Unternehmen sind es nur 12 Prozent. Die großen Unternehmen wenden traditionell auch einen strukturierten Einstellungsprozess an - selbst ohne Softwareunterstützung.

Aus den durch die HR-Software gewonnenen Daten lassen sich überdies wichtige Schlüsse ziehen, unter anderem zu den Hauptgründen für die Nicht-Einstellung eines Bewerbers. Eine fehlende Eignung ergibt zu demnach wie folgt:

  • Bewerber passt nicht zur Stellenanzeige (97 %)
  • zu hohe Gehaltsvorstellungen (97 %)
  • fehlende Sympathie (75 %)
  • mangelnde Soft Skills (70 %)
  • unzureichende Berufserfahrung (69 %)
  • ungenügende Deutschkenntnisse (61 %)
  • mangelhafte Hard Skills (59 %)
  • unzureichende Arbeitszeugnisse (52 %)

Welchen Effekt hat die Bewerbungssoftware?

Die repräsentative Studie fand auch heraus, dass Unternehmen, die das Bewerbermanagement softwaregestützt durchführen, etwas weniger Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen (17 vs. 20 Prozent ohne Software). Es wird also besser vorselektiert, außerdem weiß der Personalchef durch die HR-Software vor dem Gespräch schon mehr über den Bewerber.

Ein erstaunliches Phänomen ist, dass die Quote der Einstellungen dieselbe ist wie ohne Software: Sie liegt bei allen Unternehmen im Durchschnitt bei 4,8 % der erhaltenen Bewerbungen. Die Zahl der Gespräche reduziert sich aber durch die Vorauswahl mithilfe der Software. Das spart deutlich Zeit, und genau darauf kommt es an.

Lässt sich das Robo-Recruiting überlisten?

Für Bewerber ist interessant, wie gefährlich oder nützlich eine Software-Vorauswahl für sie ist. Die Roboter sind mit der Bewerberdatenbank des Unternehmens gekoppelt. Sie funktionieren dann effizient, wenn das Unternehmen ein Formular für die Online-Bewerbung ins Netz stellt. Die Felder in diesem Formular sind standardisiert und ermöglichen der Software, auf die Antworten einen Algorithmus anzuwenden. Die Berechnung erfolgt nach strengen Kriterien. Dazu gehören unter anderem:

  • Hochschule oder Ausbildungsbetrieb des Bewerbers
  • Hard- und Softskills
  • bislang bekleidete (Führungs-)Positionen
  • Qualifikationen
  • Erfahrungen in einem bestimmten Bereich (Art und Dauer)
  • Gehaltsvorstellungen
  • Arbeitsweg
  • Pkw und Führerschein

Der Algorithmus gibt den Antworten ein bestimmtes Gewicht und errechnet eine Gesamtnote. Wenn diese zum Wunschbild des Arbeitgebers passt, verschickt das Programm an den Bewerber automatisch eine Einladung zum Vorstellungsgespräch und trägt parallel den Termin im Kalender des Recruiters ein. Das wirkt ein wenig unpersönlich, ist aber sehr effizient.

Große Konzerne haben keine andere Wahl, sie werden von Bewerbungen überflutet: Google erhält wöchentlich rund 75.000 Bewerbungen, auch Audi muss noch mit knapp 2.000 pro Woche fertig werden. Teilweise setzen die Unternehmen im Rahmen ihrer HR-Software schon künstliche Intelligenz ein, also wirklich sehr ausgefeilte Algorithmen.

Wer nun als Bewerber eine Chance haben will, muss diesen Algorithmen folgen. Das beginnt mit einigen simplen Grundregeln. So ist eine exakte Rechtschreibung unerlässlich, sonst wird die Bewerbung vom Programm umgehend aussortiert. Auch sehr individuelle und kreative Formulierungen sind kontraproduktiv, weil sie die Bewerbungssoftware wahrscheinlich nicht kennt. Das wären Begrifflichkeiten wie Social-Media-affin, Facebook-Junkie oder Head of Headlines. Für Menschen mag das witzig klingen, für eine Software nicht.

Die Bewerber sollten besser einen 08/15-Stil anwenden und in diesen die Tags (Schlagwörter, Begrifflichkeiten, Keywords) benutzen, welche die Firma in ihrer Ausschreibung genannt hat. Diese könnten lauten:

  • Kenntnisse im Projektmanagement
  • Fremdsprachen Englisch (Business) / Chinesisch / Spanisch (Business)
  • Auslandserfahrung: 5 Jahre
  • Programmiersprachen C++ / Fortress / HAL / XSLT / ABAP

Die Software reagiert auf diese Begriffe. Der Bewerber wendet praktisch Methoden der Suchmaschinenoptimierung an. Dennoch muss der Text lesbar bleiben, denn auch der Personalchef sieht ihn sich noch einmal an. Vorsicht ist bei floskelhaften Begriffen wie “belastbar”, “dynamisch“ oder “motiviert“ geboten. Die Personaler wissen, dass jeder Bewerber sich selbst diese Attribute zuschreibt, einige Programme bewerten sie daher inzwischen als negativ.

Der Lebenslauf wiederum kann etwas ausführlicher als bei der konventionellen Bewerbung ausfallen. Bei dieser empfiehlt man maximal zwei Seiten, mehr möchte kein Personalchef lesen. Doch der Roboter kann viele Daten verkraften. Daher können Bewerber hier ihre Vita etwas ausschmücken, wenn das augenscheinlich nützlich ist.

Fazit: Chancen und Risiken durch Robo-Recruiting

Wer sich in die Softwareprogramme gut hineindenkt oder sie sogar etwas besser kennt, generiert durch eine an den Algorithmus angepasste Bewerbung große Chancen. Wer hingegen am Programm vorbei das Online-Formular ausfüllt, hat verspielt: Der Personalchef bekommt seine Bewerbung gar nicht erst zu Gesicht. Das ist schlecht für Kreative und Querdenker, doch ohne Softwareunterstützung bewältigen die Firmen in Zukunft die Flut der Bewerbungen nicht mehr. Jobsuchende müssen daher diesem Trend folgen.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.