Ausbildungsplätze: Wünsche von jungen Menschen und Angebote von Unternehmen passen nicht immer zusammen

Ausbildungsplätze: Wünsche von jungen Menschen und Angebote von Unternehmen passen nicht immer zusammen

News | 16.09.2024

Eine aktuelle Studie zeigt, dass unterschiedliche Vorlieben in der Kommunikation bei Unternehmen und Bewerbern die Besetzung von Ausbildungsplätzen erschweren können.

Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass viele Unternehmen in Deutschland nicht genügend Auszubildende finden und dass viele junge Menschen nicht den gewünschten Ausbildungsplatz bekommen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass unterschiedliche Vorlieben in der Kommunikation ein Hinderungsgrund sein können.

 

In Deutschland gibt es nach wie vor eine große Ausbildungslücke, und dies in zweierlei Hinsicht: So konnten die Unternehmen zuletzt rund 73.000 Ausbildungsplätze nicht besetzen, während gleichzeitig mehr als 63.000 junge Menschen keine Lehrstelle fanden. Das liegt hauptsächlich an einer Diskrepanz bezüglich Ort, Beruf und Qualifikation: Passende Bewerberinnen und Bewerber bzw. passende Ausbildungsplätze können daher oftmals nicht zusammengebracht werden.

Doch es gibt laut einer gemeinsamen Jugend- und Unternehmensbefragung der Bertelsmann Stiftung und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) einen weiteren Grund für die Ausbildungslücke, und dieser liegt in den unterschiedlichen Kommunikationskanälen der Beteiligten. 

Unternehmen und junge Menschen auf verschiedenen Kanälen unterwegs

Online-Stellenausschreibungen sind sowohl für junge Menschen als auch für Unternehmen das wichtigste Medium bei der Suche nach Ausbildungsplätzen bzw. nach passenden Bewerberinnen und Bewerbern, gefolgt von der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit. Auf dem dritten Platz folgen die sozialen Netzwerke, und hier zeigen sich teilweise deutliche Abweichungen bei den Präferenzen von Unternehmen und Bewerbern.

Beispiel: Während 30,4 Prozent der jungen Menschen TikTok für die Suche nach Ausbildungsplätzen nutzen, sind auf dieser Plattform nur 3,6 Prozent der Unternehmen aktiv. Umgekehrt nutzen nur 25,4 Prozent der jungen Menschen Facebook zur Suche nach Ausbildungsplätzen, während 71,3 Prozent der Unternehmen dieses Medium verwenden, um über ihre Ausbildungsplätze zu informieren. Auch auf anderen Plattformen wie YouTube oder Snapchat gibt es Unterschiede. So nutzen zum Beispiel 46,9 Prozent der jungen Menschen YouTube zur Suche nach einem Ausbildungsplatz, aber nur 18 Prozent der Unternehmen sind dort mit entsprechenden Angeboten präsent. Bei Snapchat ist die Relation noch stärker ausgeprägt: Immerhin jeder fünfte junge Mensch (19,4 Prozent) nutzt dieses Medium, um sich über Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren, aber nur 3,4 Prozent der Unternehmen stellen dort entsprechende Angebote bereit.

Unterschiede auch bei der Bewertung von Schulabschlüssen

Der Stellenwert von formalen Abschlüssen wird von Bewerberinnen und Bewerbern anders eingestuft als von den Unternehmen. Nur etwa die Hälfte der Bewerber glaubt, dass persönliche Kompetenzen gegenüber formalen Abschlüssen bedeutender werden. Bei den Unternehmen sind es dagegen etwa drei Viertel. Das zeigt ein großes Potential: Junge Menschen sollten dazu motiviert werden, sich auch auf solche Stellen zu bewerben, die für sie aufgrund vermeintlich schlechter Noten nicht in Frage kommen. Sie sollten vielmehr ihre persönlichen Stärken und Kompetenzen in den Vordergrund stellen.

Berufsorientierung: Nur bei Praktika herrscht Übereinstimmung

In der wichtigen Phase der Berufsorientierung werden Praktika sowohl von den Unternehmen als auch von jungen Menschen als besonders wichtig angesehen. Dagegen zeigt sich bei anderen Angeboten eine teils große Lücke. Während zum Beispiel für 88,3 Prozent der jungen Menschen Betriebsbesichtigungen wichtig sind, bieten diese nur 49,5 Prozent der Unternehmen an. 4,1 Prozent planen entsprechende Angebote für die Zukunft.

Ähnlich sieht es bei Ausbildungsbotschafterinnen und Ausbildungsbotschaftern aus. 78,2 Prozent der jungen Menschen erachten diese als wichtig oder sehr wichtig, während nur 19,5 Prozent der Unternehmen ein solches Angebot im Programm haben. Immerhin planen 11 Prozent diese Möglichkeit für die Zukunft.

Eine deutliche Diskrepanz zeigt sich im Bereich der Digitalisierung: Während 68,9 Prozent der jungen Menschen digitale Vorstellungen von Unternehmen als wichtig oder sehr wichtig erachten, gibt es ein solches Angebot derzeit erst bei 6,9 Prozent der Unternehmen. Weitere 7,4 Prozent wollen sich zukünftig auf diese Weise präsentieren.

Berufsausbildung wird von den meisten als wichtig angesehen

Weitgehend übereinstimmende Vorstellungen zwischen jungen Menschen und den Unternehmen herrschen hinsichtlich der Bewertung der Berufsausbildung: Jeweils mehr als 80 Prozent stufen diese als wichtige Grundlage für die Karriere ein. Auch die hohe Bedeutung eines guten Betriebsklimas, spannender Aufgaben, sicherer Zukunftsaussichten sowie der Möglichkeit, sich im Berufsleben weiterentwickeln zu können, wird sowohl von jungen Menschen als auch von den Unternehmen gesehen.

Dabei gibt es noch Aufholbedarf, was das Ansehen der dualen Ausbildung angeht: Etwa die Hälfte der Unternehmen und rund jeder zweite junge Mensch ist der Meinung, dass es hier an gesellschaftlicher Wertschätzung fehlt.

Potentiale nutzen

Es gibt also durchaus Verbesserungspotentiale im Bereich der Ausbildungsmöglichkeiten. Unternehmen sollten sich noch besser an die von jungen Menschen bevorzugten Kommunikationsmuster und Kommunikationskanäle anpassen und zum Beispiel verstärkt auf soziale Netzwerke wie TikTok, YouTube oder Snapchat setzen. Weil es hier oftmals in den Unternehmen an der nötigen Erfahrung mangelt, um den Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen, sollten sie verstärkt Personen der jeweiligen Altersgruppen einbeziehen und sie zum Beispiel im Rahmen von Praktika an ihren Auftritten in den sozialen Medien beteiligen. Auch der Rückgriff auf spezialisierte Agenturen kann hier weiterhelfen.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.

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