Diese unbewusste Gewohnheit soll als Anlass herhalten, sich mit der altbekannten Phrase vor dem Mittagessen einmal im Detail auseinanderzusetzen. Vordergründig steht die Frage nach der Angemessenheit: Gilt es noch als gute Umgangsform, seine Kollegen beim Essen mit 'Mahlzeit' zu grüßen? Oder ist der Gruß vor der Mittagspause heutzutage schlicht überholt?
Ist 'Mahlzeit' ein Gruß?
Im Gegensatz zu anderen geläufigen Begrüßungen ist die Verwendung von 'Mahlzeit' fast ausschließlich aufs Büro begrenzt. Außerhalb der Arbeit gilt die Formulierung als relativ unüblich. Tatsächlich wird sie im alltäglichen Sprachgebrauch eher als Grußwort statt als Wunsch gebraucht.
Entgegen der weit verbreiteten Annahme sagen Kollegen selten unmittelbar vor dem Essen 'Mahlzeit' zueinander. Auch nicht währenddessen, sondern in der Zeit um die Mittagspause. Auf diese Weise grüßen sich Mitarbeiter auf dem Weg zur Teeküche oder ganz einfach mittags während der Arbeit. Somit hat die Anrede nicht zwangsläufig etwas mit der Nahrungsaufnahme zu tun.
Überdies kann 'Mahlzeit' als indirekte Aufforderung an den Zimmerkollegen verstanden werden, um die Mittagspause gemeinsam zu verbringen. Der Stellenwert eines Grußes entfällt in dem Fall. Zwischen zwei Mitarbeitern wird die Anrede noch weitgehend akzeptiert. Grüßt ein Kollege jedoch einen höherrangigen Arbeitnehmer (geschweige denn den Abteilungsleiter) mit 'Mahlzeit', ist sein Verhalten absolut deplatziert.
Auf Deutsch kommt dem Wort 'Mahlzeit' in verschiedenen Kontexten eine andere Bedeutung zu. Dann ist es weder als Begrüßung noch als Appell gemeint. Vor allem die verbalisierten Konstellationen 'Na, Mahlzeit' beziehungsweise 'Prost Mahlzeit' beziehen sich auf Missgeschicke oder sollen Unmut ausdrücken.
Beispiel: 'Heute müssen wir wieder Überstunden machen, weil der Kollege krank ist. Na, Mahlzeit'.
In der beispielhaften Aussage tut der Sprecher seine Verdrossenheit über die Mehrarbeit kund. 'Prost Mahlzeit' wird in dem Zusammenhang ebenfalls häufig angewandt. Somit bedeuten beide Redewendungen auf Deutsch so viel wie das ironische 'Na bravo'.
Beispiel: Beim Kopieren fällt eine Mappe runter. Alle Dokumente liegen nun auf dem Boden verteilt herum. Darauf reagiert der betreffende Kollege mit 'Prost Mahlzeit'.
Anders als bei der ersten Variante kommentiert der Sprecher sein ungeschicktes Verhalten. Ob richtiggehende Verärgerung mitschwingt, kommt immer auf den Einzelfall an. Im Übrigen werden 'Na Mahlzeit' sowie 'Prost Mahlzeit' in allen Lebenslagen benutzt. Der Gebrauch ist also nicht auf die Arbeitswelt limitiert.
Woher kommt die Begrüßung 'Mahlzeit'?
Die Grußformel 'Mahlzeit' kommt in dieser Form in anderen Sprachen letztlich nicht vor. Somit ist sie typisch deutsch. Historisch gesehen geht die Anrede auf das Satzgefüge 'Gesegnete Mahlzeit' zurück. Vermutungen zufolge entstand sie in Klöstern als Beginn des gemeinsamen Gebets. Daher verwendete man sie als eine Art segnenden Impuls vor den mittäglichen Mahlzeiten.
Im Laufe der Jahre verkürzte sich die Ansprache vor dem Mittagessen auf den zweiten Satzteil. Ihr religiöser Bezug wurde außen vor gelassen. Daher sagen Mitarbeiter eines Betriebs nur noch Mahlzeit zueinander, wenn sie sich gegen zwölf Uhr auf dem Flur entgegenkommen. Wann das Grußwort ausgerechnet in die Berufswelt Eingang fand und für Mittagspausen im Betrieb sinnbildlich geworden ist, konnte bislang nicht rekonstruiert werden.
Welcher Gruß passt anstelle von 'Mahlzeit'?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Hier kommt es auf äußere Faktoren wie zum Beispiel das Umfeld an. Deshalb muss zwischen formellen und informellen Grüßen zum Mittagessen unterschieden werden.
Trifft man einen oder mehrere Kollegen beim Essen in der Mittagspause, kann man bei der Gelegenheit 'Guten Appetit' sagen. Mittags ist der Gruß 'Schöne (Mittags)Pause' ebenfalls eine passende Alternative. Mit ihm lässt man dem Kollegen gewissermaßen offen, wie er seine Pause verbringt. Schließlich sucht in dieser Zeit nicht jeder aus dem Büro die Kantine auf. Deshalb wirkt auch 'Guten Appetit' nicht immer angemessen.
Wie soll man stattdessen reagieren? 'Schönen guten Tag, ich grüße Sie' würde in unserer modernen Gesellschaft vermutlich zu altmodisch erscheinen. Am Tisch im Pausenraum kann man die übrigen Anwesenden mit dem vielseitig anwendbaren 'Guten Tag' begrüßen. Daneben eignet sich in einer ungezwungenen Runde auch das alltägliche 'Hallo'.
Hinweis: Bei besonders formellen Anlässen begegnet man vor einer Mahlzeit üblicherweise keiner umgangssprachlichen Aufforderung. Statt formlos 'Guten Appetit' zu sagen, begrüßen Gastgeber ihre Geladenen oftmals mit einer kurzen Rede. In solchen Fällen sollte man als Teilnehmer bei einem Geschäftsessen oder einer offiziellen Betriebsfeier auf 'Mahlzeit' grundsätzlich verzichten. Die Floskel wäre für den festlichen Rahmen viel zu formlos.
Fazit:
Obwohl es auf der Arbeit nach wie vor eine verbreitete Angewohnheit ist, sich zu den Mittagsstunden mit Mahlzeit zu begrüßen, scheint sie heute nicht mehr zeitgemäß zu sein. Wenn es beiläufig im Vorbeigehen ohne Blickkontakt erwähnt wird, wirkt 'Mahlzeit' bisweilen sogar unhöflich. Hinsichtlich der betrieblichen Hierarchie sollte ein Angestellter zumindest gegenüber seinem Vorgesetzten unbedingt zu alternativen Formulierungen greifen, um einer unschönen Rüge zu entgehen.
Im Gegensatz zum ursprünglichen Satz 'Gesegnete Mahlzeit' bezieht sich die Kurzform nicht mehr auf die Nahrungsaufnahme als Solches. Anstelle von 'Mahlzeit' sind Grüße wie 'Guten Appetit' besser geeignet. Trifft man auf dem Weg zur Betriebskantine einen anderen Mitarbeiter, können beide Seite ganz umgangssprachlich 'Hallo' sagen. In Firmen mit einem gewissen Verhaltenskodex grüßt man sich hingegen mit 'Guten Tag'.
Abschließend lassen sich die Ergebnisse wie folgt zusammenfassen: 'Mahlzeit' ist zwar durchweg deutsch, aber zweifellos aus der Mode. Die bekannten Begrüßungsformeln können wiederum unabhängig von der Tageszeit als Ersatz herhalten. Sie sind hinsichtlich eines respektvollen Umgangs ohnehin die geeignetere Wahl. 'Na Mahlzeit' mit seinen leicht mokantem Anklang darf weiterhin dem privaten Bereich vorbehalten bleiben.