Außerordentliche Kündigung: Was Arbeitnehmer wissen müssen

Außerordentliche Kündigung: Was Arbeitnehmer wissen müssen

Berufsleben | 26.06.2023

Die außerordentliche Kündigung ist eine der drastischsten Maßnahmen, die ein Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer ergreifen kann. Im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung kann sie auch ohne Einhaltung der Kündigungsfrist ausgesprochen werden. Was ist eine außerordentliche Kündigung? Welche Gründe müssen vorliegen? Was ist zu tun, wenn man mit einer solchen Kündigung konfrontiert ist? - über diese und weitere Themen geben wir Ihnen einen Überblick.

Außerordentliche Kündigung: das Wichtigste auf einen Blick

  • Eine außerordentliche Kündigung ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist.
  • Sie kommt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in Frage.
  • Die Gründe für eine außerordentliche Kündigung können in dem Verhalten oder der Person des Arbeitnehmers oder (seltener) in der Betriebssphäre liegen.
  • Vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber in der Regel eine Abmahnung erteilen.
  • Der Arbeitnehmer hat nach Erhalt der Kündigung eine zweiwöchige Erklärungsfrist, um sich gegen die Kündigung zu wehren.
  • Eine außerordentliche Kündigung kann in der Regel nicht rückwirkend ausgesprochen werden.
  • Im Falle einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung kann der Arbeitnehmer auf Wiedereinstellung klagen.
  • Eine außerordentliche Kündigung kann zu einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld I führen.

Was ist eine außerordentliche Kündigung?

Eine außerordentliche Kündigung ist eine Kündigung, die ohne Einhaltung der Kündigungsfrist ausgesprochen wird. Sie kommt in Betracht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Der wichtige Grund ist im Falle der außerordentlichen Kündigung häufig verhaltensbedingt. Im Gegensatz dazu wird eine ordentliche Kündigung in der Regel aus betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen ausgesprochen und unterliegt einer bestimmten Kündigungsfrist.

Außerordentliche vs. fristlose Kündigung 

Im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung wird oft auch von einer fristlosen Kündigung gesprochen. Der Begriff "fristlose Kündigung" ist jedoch irreführend, da auch bei einer außerordentlichen Kündigung eine Kündigungsfrist einzuhalten ist, nämlich die des § 626 Abs. 2 BGB. Dieser beträgt in der Regel zwei Wochen und beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber Kenntnis von den Gründen für die außerordentliche Kündigung erlangt.

Außerordentliche vs. ordentliche Kündigung

Im Gegensatz zur außerordentlichen Kündigung erfolgt die ordentliche Kündigung aufgrund betriebsbedingter oder personenbedingter Gründe. Für eine ordentliche Kündigung muss der Arbeitgeber eine Kündigungsfrist einhalten, die je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses gestaffelt ist. Im Unterschied dazu bedarf die außerordentliche Kündigung eines wichtigen Grundes, der das sofortige Ende des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.

Gründe für eine außerordentliche Kündigung 

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies kann etwa dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer strafbare Handlungen begeht, seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt oder das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schwer gestört ist.

Der wichtige Grund: Beispiele

  • Straftaten des Arbeitnehmers wie Diebstahl, Unterschlagung, Betrug oder Mobbing gegenüber Kollegen
  • Arbeitsverweigerung oder grobe Pflichtverletzungen wie z.B. das Ignorieren von Sicherheitsvorschriften
  • Unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz oder wiederholte Verspätungen 
  • Alkohol- oder Drogenmissbrauch am Arbeitsplatz
  • Verletzung von Geheimhaltungspflichten 
  • Eine außerordentliche Kündigung kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit private Aufträge erledigt oder am Arbeitsplatz private Telefonate führt.
  • Weitere Beispiele sind sexuelle Belästigung, rassistische Äußerungen oder wiederholtes unangemessenes Verhalten am Arbeitsplatz.

Diese Aufzählung ist nicht abschließend, sondern gibt nur einen groben Überblick über mögliche Fälle. Die Bewertung, ob eine außerordentliche Kündigung rechtmäßig ist, hängt immer von den individuellen Umständen des Einzelfalls ab. Alle genannten Fälle können eine Kündigung rechtfertigen, müssen im Einzelfall aber vor Gericht nicht als ausreichender Grund standhalten.

Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung 

Damit eine außerordentliche Kündigung wirksam ist, müssen neben dem Vorliegen eines Kündigungsgrunds weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Das sind: 

  • Abmahnung 
  • Interessenabwägung 
  • Einhaltung der 2-wöchigen Erklärungsfrist
  • Wahrung der Schriftform

Abmahnung

In den meisten Fällen muss der Arbeitnehmer vor einer außerordentlichen Kündigung abgemahnt werden. Hierdurch soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden, sein Fehlverhalten zu korrigieren und eine Kündigung zu vermeiden.

Interessenabwägung

Eine außerordentliche Kündigung muss stets mit einer Interessenabwägung begründet werden. Dabei werden die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegeneinander abgewogen. Die Kündigung darf nur ausgesprochen werden, wenn die Interessen des Arbeitgebers überwiegen.

Zweiwöchige Erklärungsfrist 

Der Arbeitnehmer hat nach Erhalt der Kündigung zwei Wochen Zeit, um schriftlich Stellung zu nehmen und eine Kündigungsschutzklage einzureichen.

Wahrung der Schriftform

Eine außerordentliche Kündigung muss immer schriftlich erfolgen und vom Arbeitgeber unterschrieben sein.

Was tun bei einer außerordentlichen Kündigung?

Nachdem eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde, haben Arbeitnehmer verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren. In jedem Fall sollten sie sich umgehend anwaltlichen Rat einholen, um ihre Rechte zu wahren.
Wenn der Arbeitnehmer die Kündigung akzeptiert, endet das Arbeitsverhältnis zu dem im Kündigungsschreiben genannten Termin. Der Arbeitgeber muss dann die Abrechnung des letzten Gehalts erstellen und gegebenenfalls offene Urlaubsansprüche auszahlen.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Kündigung anzufechten. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen.

Es kann sich auch lohnen, zunächst eine außergerichtliche Einigung mit dem Arbeitgeber anzustreben. Hierbei kann ein Anwalt helfen, der die Interessen des Arbeitnehmers vertritt und mit dem Arbeitgeber verhandelt. Eine solche Einigung kann dazu führen, dass die Kündigung zurückgenommen wird oder eine Abfindung gezahlt wird.

In jedem Fall sollten Arbeitnehmer bei einer außerordentlichen Kündigung schnell handeln und sich anwaltlichen Rat einholen, um ihre Rechte zu wahren.

Sperrzeit für ALG I?

Im Falle einer außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber droht dem Arbeitnehmer unter Umständen eine Sperrzeit bei der Beantragung von Arbeitslosengeld I. Die Sperrzeit beträgt in der Regel zwölf Wochen. Sie kann vermieden werden, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig den wichtigen Grund für die Kündigung gesetzt hat.

Kündigung unwirksam? Die wichtigsten Fälle

Nicht immer ist eine außerordentliche Kündigung rechtmäßig. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen sie vor Gericht für unwirksam erklärt wird. Zu den häufigsten Gründen für eine unwirksame außerordentliche Kündigung zählen etwa eine fehlende Abmahnung oder eine fehlerhafte Interessenabwägung. Aber auch abseits der oben genannten Wirksamkeitsvoraussetzungen kann es Aspekte geben, aufgrund derer eine Unwirksamkeit anzunehmen ist:

  • Diskriminierung: Eine Kündigung ist unwirksam, wenn sie aus diskriminierenden Gründen ausgesprochen wurde, wie zum Beispiel aufgrund des Geschlechts, der Herkunft oder der Religion des Arbeitnehmers.

  • Willkürliche Kündigung: Eine Kündigung aus willkürlichen Gründen, wie zum Beispiel aufgrund persönlicher Animositäten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

  • Verstoß gegen den Kündigungsschutz: Eine Kündigung kann auch unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber gegen bestimmte Kündigungsschutzvorschriften verstoßen hat. In Frage kommt etwa die Anhörung des Betriebsrats oder die Einhaltung von Fristen für die Aussprache der Kündigung.

  • Kündigung während einer Krankheit: Eine Kündigung während einer Arbeitsunfähigkeit oder einer längeren Krankheit kann unwirksam sein, insbesondere wenn die Krankheit durch den Arbeitgeber verursacht wurde oder die Kündigung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

Gekündigte sollten sich unbedingt anwaltlich beraten lassen

Die unerwartete Kündigung des Arbeitsverhältnisses vermag den frisch Gekündigten zunächst den Boden unter den Füßen wegzuziehen. 
Wie unsere Beispiele gezeigt haben, sind nicht alle Kündigungen wirksam. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Wir empfehlen daher, bei Empfang eines Kündigungsschreibens unverzüglich einen Anwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren, um die genaue rechtliche Situation beurteilen zu lassen und keine Fristen zu verpassen.

Wann kann ich als Arbeitnehmer außerordentlich kündigen?

Als Arbeitnehmer können Sie unter bestimmten Voraussetzungen außerordentlich kündigen, wenn Sie einen wichtigen Grund haben. 

Die Kündigung muss grundsätzlich schriftlich erfolgen und innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des wichtigen Grundes erklärt werden. Es empfiehlt sich jedoch, die Kündigung so schnell wie möglich zu erklären, um etwaigen rechtlichen Schwierigkeiten vorzubeugen.

Beispiele für einen wichtigen Grund können sein:

  • grobe Beleidigungen, Mobbing oder tätliche Angriffe durch den Arbeitgeber oder Kollegen
  • Verweigerung von Lohnzahlungen oder anderen vertraglich vereinbarten Leistungen durch den Arbeitgeber
  • Verletzung von arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften durch den Arbeitgeber, die das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers gefährden
  • sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
  • Diebstahl oder andere Straftaten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer.

Bedenken Sie, dass eine außerordentliche Kündigung für den Arbeitnehmer in der Regel mit Nachteilen verbunden ist, wie zum Beispiel der Verlust von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Es empfiehlt sich daher, vor Abgabe des Kündigungsschreibens eine Beratung durch einen Anwalt oder eine Gewerkschaft in Anspruch zu nehmen.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.