Career Cushioning: Absichern der Karriere

Career Cushioning: Absichern der Karriere

Berufsleben | 08.07.2024

Ein neuer Trend ist auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten: Aus Sorge um den Verlust ihres Arbeitsplatzes betreiben viele Arbeitnehmer sogenanntes Career Cushioning. Wir erklären, was sich hinter diesem Begriff verbirgt und wer davon besonders profitieren kann.

Kurze Definition: Das ist Career Cushioning

Career Cushioning bezeichnet ein Verhalten von Arbeitnehmern, das darauf ausgelegt ist, einem möglichen Jobverlust vorzubeugen und einen Plan B für die eigene Karriere zu haben. Dabei suchen die Betreffenden zum Beispiel nach alternativen Jobs, erweitern ihr Netzwerk oder betreiben Upskilling. Auch wenn Career Cushioning oftmals mit Angehörigen der Generation Z in Verbindung gebracht wird, sind auch ältere Angestellte davon betroffen.

Der Ursprung des Begriffs stammt aus der Dating-Welt. Wer Cushioning betreibt, hat “viele Eisen im Feuer”, um nicht alleine zu sein, falls es in einer Beziehung nicht wie gewünscht läuft. Die verschiedenen Dating-Partner wissen davon aber nichts. Dabei ist “Career Cushioning” am ehesten mit “Karriereabsicherung” zu übersetzen.

Auf dem Arbeitsmarkt betreiben angesichts wachsender Unsicherheit immer mehr Beschäftigte Career Cushioning aus der Sorge heraus, ihren Job zu verlieren. Sie halten sich verschiedene Karrierewege offen und sichern sich damit gegen Probleme mit ihrem bestehenden Job ab.

Career Cushioning als Form von Quiet Quitting

Quiet Quitting bedeutet, dass ein Mitarbeiter nur die absolut nötige Leistung im Job erbringt, um den Arbeitsplatz zu behalten, ohne die Bereitschaft zu zeigen, “die Extra-Meile zu gehen”. Beim Career Cushioning wird zumindest ein Teil der auf diese Weise eingesparten Zeit dazu verwendet, die eigene Karriere abzusichern, indem man sich nach anderen Jobs umsieht, einem Nebenerwerb nachgeht oder sich weiterbildet.

Warum liegt Career Cushioning gerade so im Trend?

Trotz großen Fachkräftemangels wächst die Unruhe bei den Arbeitnehmern. Globale Krisen, eine stagnierende Wirtschaft, Inflation und betriebsbedingte Kündigungen und Massenentlassungen bei verschiedenen Unternehmen sorgen für Unsicherheit und Angst vor einem möglichen Jobverlust. Gleichzeitig bietet der Arbeitsmarkt nach wie vor viele Alternativen und attraktive Jobs, so dass es sich für Arbeitnehmer in ungekündigter Stellung durchaus lohnen kann, die Augen offen zu halten.

Welche Ursachen hat Career Cushioning?

Neben der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit kann Career Cushioning auch individuelle und persönliche Gründe haben. Hier eine Auswahl:

  • Unzufriedenheit mit dem aktuellen Job
  • Der Wunsch, sich und die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln
  • Verbesserung des Einkommens
  • Der Wunsch, etwas Neues zu erleben

Wie funktioniert Career Cushioning?

Das Grundprinzip beim Career Cushioning besteht darin, dass ein Arbeitnehmer einen Teil seiner verfügbaren Ressourcen bzw. seiner Arbeitszeit dazu verwendet, seine berufliche Karriere abzusichern und Alternativen in der Hinterhand zu haben. Das gelingt dadurch, dass er im Job nur das Nötigste leistet, aber keine darüber hinausgehenden Aufgaben übernimmt und auch keine Überstunden leistet - das klassische Quiet Quitting.

Zu den Maßnahmen, die sich zum Absichern der Karriere eignen, gehören insbesondere

  • die Suche nach passenden Stellenanzeigen, zum Beispiel auf Job-Portalen wie de, aber auch in Tageszeitungen und in sozialen Medien wie LinkedIn.
  • die Erweiterung des persönlichen Netzwerks. Auch dazu bieten sich professionelle Social Networks wie LinkedIn oder Xing an. Darüber hinaus können persönliche Kontakte genutzt werden, um sich ins Gespräch zu bringen - zum Beispiel über einen Bekannten, der bei einem Konkurrenzunternehmen arbeitet.
  • die Annahme eines Nebenjobs: Das bietet den Vorteil einer finanziellen Absicherung, selbst in dem Fall, dass der aktuelle Job verloren geht.
  • der Aufbau eines Nebengewerbes: Wer sich selbständig machen möchte, kann dies je nach Branche und Tätigkeit auch schrittweise ausbauen und erst mit wenigen Kunden beginnen. Auch hier liegt der Vorteil in einer finanziellen Absicherung. Darüber hinaus bietet eine selbständige Tätigkeit den Vorteil, das machen zu können, worauf man Lust hat.
  • Fort- und Weiterbildung: Bei einer Fortbildung werden die Qualifikationen im Rahmen einer bestehenden Tätigkeit erweitert. Eine Weiterbildung dient dem Erwerb zusätzlicher Qualifikationen, die über die aktuelle Tätigkeit hinausgehen.
  • Aktualisierung des Lebenslaufs und der Qualifikationsnachweise: Wenn es dazu kommt, dass man sich auf einen neuen Job bewerben muss, ist es beruhigend und von Vorteil, aktuelle Bewerbungsunterlagen und einen gepflegten Lebenslauf zur Hand zu haben. Auch das Profil in wichtigen sozialen Medien wie LinkedIn sollte stets aktuell sein. Wer die Dokumente entspannt aktualisieren möchte, sollte das bereits frühzeitig und ohne Druck erledigen. In manchen Fällen kann es vorteilhaft sein, sich dabei professionelle Unterstützung durch qualifizierte Coaches und Berater zu suchen.
  • Aufbau und Demonstration von Expertise: Um sich für potentielle Arbeitgeber interessant zu machen, ist der Aufbau von fachlicher Expertise sehr geeignet - vor allem dann, wenn diese nach außen hin sichtbar ist. Dazu eignen sich verschiedene Wege wie zum Beispiel eine eigene Website bzw. ein Blog, ein Podcast, ein YouTube-Kanal oder auch Posts in sozialen Medien.

Wann Career Cushioning sinnvoll ist

Grundsätzlich gilt: Es ist immer empfehlenswert, den Blick über den Tellerrand zu richten und berufliche Alternativen zu prüfen, selbst dann, wenn man mit dem aktuellen Job zufrieden ist und sich keine Sorgen wegen einer möglichen Kündigung macht. Niemand kann einem deshalb einen Vorwurf machen, denn jeder hat das Recht, sich Gedanken über die eigene berufliche Zukunft zu machen und nach neuen Perspektiven zu schauen. Es gibt allerdings Situationen, in denen sich Career Cushioning besonders anbietet:

Der aktuelle Job entspricht nicht mehr den eigenen Erwartungen

Das kann viele Gründe haben: Mangelnde Anerkennung des Chefs, eintönige Aufgaben, ein schlechtes Betriebsklima oder eine als zu gering empfundene Bezahlung sind nur einige Beispiele.

Burnout oder Angst vor dem Job

Burnout kann sich auf verschiedene Weisen äußern. Man spricht hier allgemein von einem Zustand der mentalen, körperlichen und emotionalen Erschöpfung, der oftmals von Antriebs- oder Hoffnungslosigkeit begleitet sein kann. 

Ein Zeichen von Angst vor dem Job können die typischen Sunday Scaries sein - also die Angst vor der Arbeit am Montag, die bereits am Sonntag einsetzt. 

Wer diese oder ähnliche Empfindungen verspürt, sollte tatsächlich Career Cushioning in Erwägung ziehen.

Angst vor betriebsbedingter Kündigung

Wer sich Sorgen um die Zukunft des Arbeitgebers, der eigenen Abteilung oder der Branche macht und eine betriebsbedingte Kündigung fürchtet, kann mit Career Cushioning verschiedene Probleme angehen: Die aktive Beschäftigung mit Alternativen kann für mehr Zuversicht sorgen. Gleichzeitig haben es diejenigen, die tatsächlich ihren Job verlieren, leichter, eine Alternative zu finden, wenn sie sich vorher schon umgesehen und sich entsprechend vorbereitet haben.

Angst, entlassen zu werden

Auch individuelle Probleme können zur Sorge um Entlassung führen. Das muss nicht immer eine konkrete Ursache haben. Schon das Gefühl, zum Beispiel nicht die gewünschte Leistung zu erbringen oder auf einer roten Liste zu stehen, kann Angst auslösen. Dieses Gefühl beeinflusst die Leistungsfähigkeit im Job und mindert den Spaß an der Arbeit. 

Arbeitnehmer in einer solchen Situation können zum Beispiel durch Weiterbildungsmaßnahmen oder auch durch den Aufbau eines Nebenerwerbs Zuversicht und Selbstvertrauen stärken - klassische Methoden des Career Cushionings.

Die Vorteile von Career Cushioning

Für Arbeitnehmer bietet Career Cushioning viele Vorteile. Selbst wenn sie ihren Job nicht verlieren oder wechseln müssen, können die einzelnen Maßnahmen des Career Cushionings positive Effekte bewirken:

  • Gefühl der Sicherheit: Wer in der Gewissheit lebt, auf einen möglichen Jobverlust vorbereitet zu sein, geht ruhiger und entspannter an die Arbeit. Das kann die Leistungsfähigkeit erhöhen und damit sogar die Karrierechancen im bestehenden Job verbessern.
  • Persönliche Weiterentwicklung: Durch Besuch von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erweitern sich die Kenntnisse und Fähigkeiten, was die Chancen auf einen neuen Job verbessert, sich aber auch positiv auf die Karriere im bestehenden Job auswirken kann.
  • Finanzielle Absicherung: Das Ausüben eines Nebengewerbes oder die Annahme eines Nebenjobs sorgen für mehr finanzielle Sicherheit. Das gilt auch dann, wenn man im Zuge des Career Cushionings die Ausgaben reduziert, um Ersparnisse für den Fall der Fälle zu bilden.
  • Offen für Neues bleiben: Wer Career Cushioning betreibt, geht mit offenen Augen durch die Arbeitswelt und entdeckt möglicherweise Chancen, die ansonsten unentdeckt verstreichen würden.

Mögliche Nachteile von Career Cushioning

Wenn ein Arbeitnehmer sich zu sehr auf die Absicherung der Karriere und auf Alternativen konzentriert, kann die Leistung im Job leiden und damit das Risiko von Problemen im Job steigen. Daher ist es wichtig, trotz Career Cushionings den aktuellen Job nicht zu vernachlässigen.

Der ständige Vergleich des bestehenden Jobs mit Alternativen kann das Gefühl der Unzufriedenheit verstärken. Daher ist es wichtig, andere Jobs nicht zu idealisieren und sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen: Welche Nachteile und Probleme könnte es dort neben den Vorzügen geben? Das schafft eine realistische Einschätzung.

Wenn der aktuelle Arbeitgeber herausfindet, dass ein Mitarbeiter Career Cushioning betreibt, kann das bei ihm zur Annahme führen, der Mitarbeiter sei gegenüber seinem Arbeitgeber nicht loyal.

Ist Career Cushioning das Richtige für mich?

Um herauszufinden, ob du Career Cushioning betreiben solltest, solltest du dir die folgenden Fragen stellen:

  • Bin ich mit meinem derzeitigen Job zufrieden?
  • Brauche ich neue Skills?
  • Gibt es für mich gute Chancen und Perspektiven am Arbeitsmarkt?
  • Ist mein Job akut in Gefahr - sei es durch betriebsbedingte Kündigung oder aufgrund persönlicher Gründe?
  • Würde mich eine neue Tätigkeit reizen - vielleicht sogar in einer anderen Branche oder einem anderen Land?
  • Gehe ich täglich entspannt zur Arbeit, oder habe ich immer ein ungutes Gefühl dabei?
  • Bin ich erschöpft und fühle mich ausgelaugt durch die Arbeit?

Wenn du eine oder mehrere dieser Fragen mit “Ja” beantwortest, dann solltest du dich zumindest mit dem Konzept des Career Cushionings beschäftigen. Das kann dir dabei helfen, eine positivere Einstellung zu finden - und vielleicht sogar deinen Traumjob.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.