Was ist eine Druckkündigung?

Was ist eine Druckkündigung?

Berufsleben | 21.04.2024

Nicht immer muss eine Kündigung auf ein persönliches Fehlverhalten oder bestimmte Eigenschaften des Arbeitnehmers zurückzuführen sein. Bei der sogenannten Druckkündigung wirken andere Personen, beispielsweise Kollegen oder Kunden, auf die Kündigung eines Arbeitnehmers hin, indem sie Druck auf den Arbeitgeber unter Androhung von Nachteilen ausüben.

Vielen dürfte der Begriff der Druckkündigung nicht geläufig sein, denn es handelt sich dabei um eine ganz spezielle Form der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.

Man spricht dann von einer Druckkündigung, wenn andere Personen wie zum Beispiel Kunden, Geschäftspartner oder Arbeitskollegen die Entlassung eines Arbeitnehmers fordern. Der Grund können ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers wie zum Beispiel das Mobbing von Kollegen oder auch besondere Eigenschaften des Arbeitnehmers sein. Bei einer Druckkündigung geht der Trennungswunsch also oftmals nicht oder zumindest nicht direkt vom Arbeitgeber aus. Der ausgeübte Druck lässt ihm jedoch keine andere Wahl, als die Kündigung auszusprechen, weil ansonsten gravierende Nachteile wie schwere wirtschaftliche Schäden drohen. Bei einer Druckkündigung handelt es sich um eine betriebsbedingte Kündigung.

Mögliche Situationen, die zu einer Druckkündigung führen können

Es gibt verschiedene Personen, mit denen ein Unternehmen interagiert und die auf die Kündigung eines bestimmten Mitarbeiters hinwirken können. Zu ihnen gehören beispielsweise Kolleginnen und Kollegen, Kunden, Lieferanten oder auch Aufsichtsbehörden.

So kann zum Beispiel ein wichtiger Kunde zukünftige Aufträge davon abhängig machen, dass einem bestimmten Arbeitnehmer gekündigt wird. Ein Lieferant kann die Bereitstellung wichtiger Materialien unter den Vorbehalt der Entlassung einer unliebsamen Person stellen. Möglich ist auch, dass Kollegen mit der Niederlegung ihrer Arbeit drohen, sollte ein bestimmter Mitarbeiter weiter beschäftigt werden.

Generell geht es also darum, dass einem Unternehmen mit bestimmten Nachteilen gedroht wird, sollte eine Kündigung eines bestimmten Mitarbeiters oder einer bestimmten Mitarbeiterin unterbleiben.

Man unterscheidet je nach den ausschlaggebenden Gründen zwischen einer echten und einer unechten Druckkündigung.

Die unechte Druckkündigung

Von einer unechten Druckkündigung ist dann die Rede, wenn die Drohsituation nur mittelbar, also indirekt wirkt, der tatsächliche Kündigungsgrund aber in der Person oder dem Verhalten des oder der Gekündigten zu finden ist. Ein Beispiel dafür ist ein Mitarbeiter, der dauerhaft durch schlechte Leistungen und ein ungebührliches Verhalten gegenüber seinen Kollegen auffällt. Nachdem dieser dafür mehrfach abgemahnt wurde und sein Verhalten nicht geändert hat, fordern die Kollegen unter Androhung der Eigenkündigung oder der Arbeitsniederlegung seine Entlassung. Wird die Kündigung in diesem Fall ausgesprochen, liegt das am Verhalten des Mitarbeiters. Die Forderung der Kollegen, ihn zu entlassen, wirkt hier nur mittelbar.

Die echte Druckkündigung

Eine echte Druckkündigung liegt dann vor, wenn die Kündigung ohne kündigungsrelevantes Verhalten des Mitarbeiters und ausschließlich aufgrund des ausgeübten Drucks erfolgt. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein mittelständisches Unternehmen einen wichtigen öffentlichen Auftrag nur dann erhält, wenn einer bestimmten Mitarbeiterin zuvor gekündigt wurde. Für die Wirksamkeit einer echten Druckkündigung sind allerdings strenge Voraussetzungen zu erfüllen.

Wann ist eine Druckkündigung wirksam?

Damit eine Druckkündigung tatsächlich wirksam ist, müssen gemäß Arbeitsrecht einige Bedingungen und Anforderungen erfüllt sein.

Ist die Kündigung das wirklich einzige Mittel?

Bevor eine Kündigung ausgesprochen wird, muss geprüft werden, ob andere Maßnahmen in Betracht kommen, um den drohenden Schaden abzuwenden, wie zum Beispiel die Versetzung des Mitarbeiters in eine andere Abteilung oder an einen anderen Standort. Wurden solche alternativen Möglichkeiten nicht erwogen, kann das zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Der Arbeitgeber muss sich also im Sinne seiner Fürsorgepflicht zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen und alle zumutbaren Möglichkeiten prüfen, eine Kündigung zu vermeiden. Dazu kann auch gehören, dass der Arbeitgeber im Gespräch gemeinsam mit den drohenden Parteien nach alternativen Lösungen sucht.

Kein Verschulden des Arbeitgebers 

Eine Druckkündigung ist auch dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber selbst für die entstandene Drucksituation verantwortlich ist. Das kann zum Beispiel durch eskalierendes Verhalten des Arbeitgebers verursacht sein - etwa dann, wenn dieser direkt oder auch subtil Kollegen dazu motiviert, sich gegen einen missliebigen Kollegen zu stellen und mit der Niederlegung der Arbeit oder gar mit Kündigungen zu drohen. Auch hier gilt: Der Arbeitgeber hat die Pflicht, sich schützend vor seinen Mitarbeiter zu stellen.

Es müssen schwere wirtschaftliche Konsequenzen drohen

Ebenfalls zu berücksichtigen sind die möglichen Konsequenzen für das Unternehmen, sollten die Drohungen in die Tat umgesetzt werden. Droht zum Beispiel nur ein einzelner und weniger bedeutender Mitarbeiter mit Kündigung, sollte ein bestimmter Kollege nicht entlassen werden, oder könnte ein für das Unternehmen vergleichsweise unwichtiger Auftrag im Falle des Nicht-Einlenkens verloren gehen, reicht das oftmals für eine wirksame Druckkündigung nicht aus. Verlangen dagegen große Teile der Belegschaft die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers, kann dies als Grundlage genügen. Hier wird die Entscheidung jeweils im Einzelfall getroffen werden müssen.

Richtiges Verhalten für Arbeitgeber bei möglicher Druckkündigung

Kommt es zu einer Situation, in der Dritte versuchen, auf die Kündigung eines Mitarbeiters hinzuwirken, muss der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter nachkommen. Das umfasst die folgenden Maßnahmen:

  1. Eingehende Prüfung der Vorwürfe: Durch Gespräche mit den Personen, die Druck ausüben, sollte sich der Arbeitgeber ein genaues Bild von den Vorwürfen machen.
  2. Anhören des betroffenen Mitarbeiters: Der Arbeitgeber muss dem Mitarbeiter, dessen Entlassung gefordert wird, die Möglichkeit bieten, seine Sicht der Dinge darzustellen und die Vorwürfe zu entkräften.
  3. Verteidigung des Mitarbeiters: Sollte sich nach der Prüfung der Vorwürfe und nach Anhörung des Mitarbeiters herausstellen, dass kein objektiver Kündigungsgrund vorliegt, ist es die Aufgabe des Arbeitgebers, sich schützend vor seinen Arbeitnehmer zu stellen und darzulegen, dass die Vorwürfe unangemessen sind.
  4. Vermittlungsversuch: Statt einer Kündigung sollte der Versuch unternommen werden, die Drucksituation zu entschärfen und zu einer gütlichen Lösung zwischen den Konfliktparteien zu gelangen. Hier kommt der Vermittlung durch den Arbeitgeber eine besondere Bedeutung zu. Er kann zum Beispiel Mediationsgespräche oder Workshops organisieren, in denen die Konfliktparteien gemeinsam nach Lösungen suchen.
  5. Ungerechtfertigten Druck sanktionieren: Sollten die Druck ausübenden Personen aus Sicht des Arbeitgebers in nicht angemessener Weise handeln, muss er mögliche Sanktionsmaßnahmen prüfen. So kann zum Beispiel das eigenmächtige Niederlegen der Arbeit durch einen oder mehrere Mitarbeiter zu einer Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar zu einer Kündigung führen.
  6. Alternative Möglichkeiten prüfen: Der Arbeitgeber muss prüfen, ob es anstelle der Kündigung andere Möglichkeiten gibt, Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Dazu kann zum Beispiel die Versetzung des betreffenden Mitarbeiters in eine andere Abteilung oder an einen anderen Standort zählen. 

Beispiele für Fälle gerechtfertigter und nicht gerechtfertigter Druckkündigungen aus der Rechtsprechung

Immer wieder kommt es vor deutschen Arbeitsgerichten zu Prozessen wegen ausgesprochener Druckkündigungen. Oftmals landen die Fälle letztendlich vor dem Bundesarbeitsgericht. 

Kündigung einer Lehrkraft unwirksam

Im Oktober 2015 wies das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 637/15) die Revision eines Berufskollegs für Sozialpädagogik zurück. Die Einrichtung hatte einer Lehrerin auf Druck verschiedener Kollegen und Schüler gekündigt. Dagegen hatte die Lehrerin geklagt und in den Vorinstanzen Recht bekommen. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hatte sich die Arbeitgeberin nicht in ausreichendem Maße vor seine Mitarbeiterin gestellt. Dies sei vor dem Hintergrund früherer negativer Aussagen der Geschäftsführerin der Einrichtung über die Mitarbeiterin umso wichtiger gewesen. Es sei nicht ausreichend, lediglich Gespräche zu vermitteln. Vielmehr wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, den Druck ausübenden Kolleginnen und Kollegen die sozialen Konsequenzen einer Kündigung ihrer Kollegin aufzuzeigen.

Kündigung eines Hafenmitarbeiters unwirksam

In einem weiteren Fall entschied das Bundesarbeitsgericht im Dezember 2016 (2 AZR 431/15) zugunsten eines Hafenmitarbeiters. Dieser war wegen einer außerdienstlichen Straftat (Kindesmissbrauch) verurteilt worden. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter. Dieser hatte mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg. Kurz darauf kündigte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter jedoch auf Druck verschiedener Kollegen sowie Mitarbeiter von Drittfirmen erneut. Sie drohten mit Arbeitsniederlegung, sollte sich der betreffenden Mitarbeiter weiter auf dem Firmengelände aufhalten. 

In diesem Fall befand das Bundesarbeitsgericht, dass die Druckkündigung unwirksam ist. Der Arbeitgeber habe sich nicht genügend vor seinen Mitarbeiter gestellt. So sei es dem Arbeitgeber zum Beispiel zuzumuten gewesen, die Druck ausübenden Mitarbeiter auf die Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten hinzuweisen und sie auf mögliche Folgen wie Abmahnungen oder Entzug des Entgelts für die ausfallenden Zeiten hinzuweisen. Es könne ohne eine entsprechende Klarstellung des Arbeitgebers nicht einfach davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter selbst um den Preis persönlicher Nachteile zu weiteren Arbeitsniederlegungen bereit gewesen wären. 

Zudem hätte der Arbeitgeber vor dem Hintergrund der bereits zuvor erfolgten unwirksamen Kündigung dem Eindruck entgegentreten müssen, die Druckausübung komme ihm gerade recht. 

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Pflicht des Arbeitgebers, sich vor seinen Mitarbeiter zustellen, auch dann besteht, wenn der Anlass zur Druckausübung eine als moralisch besonders verwerflich empfundene Straftat ist, die keinerlei Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat.

Fazit: Druckkündigungen sind möglich, aber an hohe Anforderungen geknüpft

Ein Arbeitgeber kann einem Mitarbeiter kündigen, obwohl es keine in dessen Person oder in dessen Verhalten objektiv begründete Ursache gibt. Dazu muss er von Dritten wie zum Beispiel von anderen Mitarbeitern oder Kunden unter Androhung negativer Konsequenzen unter Druck gesetzt werden. Die Folgen der Konsequenzen müssen für das Unternehmen gravierend sein. Und auch dann ist eine Kündigung nur rechtens, wenn der Arbeitgeber zuvor alles Zumutbare unternommen hat, um die Entlassung des Mitarbeiters zu vermeiden.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.

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