In vielen Berufen gibt es in Deutschland derzeit einen erheblichen Fachkräftemangel - trotz der wirtschaftlichen Probleme. Was für die Unternehmen ein Problem ist, eröffnet für Arbeitnehmer und Jobsuchende zusätzliche Chancen.
Wer erwartet hatte, dass sich der Fachkräftemangel in Deutschland durch die wirtschaftlichen und globalen Krisen abschwächen oder gar erledigen würde, sieht sich durch die aktuellen Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) eines besseren belehrt. Bundesweit besteht ein Mangel an 530.000 qualifizierten Arbeitskräften. Besonders groß ist die Lücke demnach in Gesundheits- und Sozialberufen sowie bei Elektroberufen.
Auch wenn der Rekordwert von 630.000 fehlenden Fachkräften aus dem Jahr 2022 derzeit nicht erreicht wird und die Zahl offener Stellen im Jahresdurchschnitt zur Mitte dieses Jahres um 4,2 Prozent zurückgegangen ist, haben derzeit viele Unternehmen Probleme, offene Stellen zu besetzen.
Dabei konzentriert sich der Arbeitskräftemangel auf wenige Berufe. Auf die zehn Berufe mit der größten Lücke entfallen 30 Prozent des gesamten Fachkräftemangels. Besonders betroffen sind diese Berufe (die Zahlen stehen jeweils für die aktuelle Fachkräftelücke):
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Kinderbetreuung und -erziehung (Spezialistin / Spezialist): 21.013
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Sozialarbeit und Sozialpädagogik (Expertin / Experte): 18.325
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Bauelektrik (Fachkraft): 18.287
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Gesundheits- und Krankenpflege (Fachkraft): 16.698
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Kraftfahrzeugtechnik (Fachkraft): 16.281
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Altenpflege (Fachkraft): 14.574
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Elektrische Betriebstechnik (Fachkraft): 13.834
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Verkauf ohne Produktspezialisierung (Fachkraft): 12.847
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Maschinenbau- und Betriebstechnik (Fachkraft): 12.651
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Physiotherapie (Spezialist): 12.539
In der Kinderbetreuung konnten im Jahr 2023/2024 im Schnitt mehr als 21.000 offene Stellen nicht besetzt werden. Das wirkt sich auch auf die fehlenden Betreuungsplätze für Kinder aus. Deren Zahl lag im Jahr 2023 bei etwa 300.000, was sich wiederum belastend auf die Verfügbarkeit von Fachkräften in anderen Bereichen auswirkt, wenn diese aufgrund fehlender Kinderbetreuung nicht oder nur in Teilzeit arbeiten können.
Im Bereich der Sozialarbeit und Sozialpädagogik konnten nach den Zahlen des IW aufgrund der Fachkräftelücke 73,8 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden. Noch gravierender ist die Lage bei Spezialisten für Physiotherapie. Hier konnten 85,7 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden. Nur wenig besser sieht es bei den Berufen aus den Bereichen Elektro und Handwerk aus. 80,9 Prozent der offenen Stellen konnten hier nicht besetzt werden.
Auch in der Bauwirtschaft, im Maschinenbau und in der elektrischen Betriebstechnik gibt es ein großes Defizit an Fachkräften mit negativen Auswirkungen auf die Unternehmen und die gesamte Wirtschaft.
All dies wird sich durch den anhaltenden demografischen Wandel und die Alterung der Gesellschaft weiter verstärken. Doch es gibt auch Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. So gab es zum Beispiel im Jahr 2022 in Deutschland knapp 2,9 Millionen junge Erwachsene unter 35 Jahren ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung. Durch Qualifikations- und Fördermaßnahmen könnten diese zu Fachkräften ausgebildet werden.
Auch die Bindung älterer Mitarbeiter über das Renteneintrittsalter hinaus stellt eine Möglichkeit zur Milderung des Fachkräftemangels dar. Hinzu kommt die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland (EU und Drittstaaten).
Für Arbeitnehmer und Jobsuchende mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung ergeben sich durch den Fachkräftemangel große Chancen. Sie finden gute Vergleichsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und können sich die Arbeitgeber mit den besten Konditionen aussuchen.