Selbstbeurteilung geschickt formulieren

Selbstbeurteilung geschickt formulieren

Berufsleben | 28.09.2022

Wer zu einer Selbstbeurteilung aufgefordert wird, darf sein Licht dabei nicht unter den Scheffel stellen, doch er darf sich auch nicht selbstgefällig loben. Damit ist diese Eigenreferenz, die unter anderem vor einem Bewerbungs- oder Mitarbeitergespräch verlangt wird, eine schmale Gratwanderung. Lesen Sie hier, mit welchen Formulierungen Sie sich geschickt selbst beurteilen.

Wozu dient die Selbstbeurteilung?

Vor allem Fach- und Führungskräfte sollen darin ihre Leistungen analytisch und objektiv präsentieren, ohne in Eigenlob zu verfallen. Es geht dabei um ausreichende Substanz und natürlich um Selbstbeurteilung oder Selbstmarketing.

In vielen Firmen ist diese Art der Selbstdarstellung eine notwendige Vorbereitung auf das Mitarbeitergespräch. Der Chef fordert die Arbeitnehmer vorab dazu auf, was wie das Abdelegieren der Verantwortung nach unten aussehen kann.

Doch in Wahrheit ist es ein sehr sinnvoller Schritt: Erstens sollte der Mitarbeiter sich und seine Leistungen selbst am besten kennen. Zweitens erfährt der Vorgesetzte dadurch, was der Kollege für ein Selbstbild hat. Denkt er über sich realistisch? Wie vermag er die eigenen Leistungen angemessen darzustellen, wie sehr ist er fähig zur Selbstkritik ohne Selbstzerfleischung? Für Arbeitnehmer ergibt sich durch die Selbstbeurteilung die Chance,

  • die eigene Leistung angemessen zu präsentieren,
  • eigene Stärken und Kompetenzen hervorzuheben,
  • auch Verbesserungsmöglichkeiten zu benennen,
  • das Interesse an Weiterbildung darzulegen sowie
  • Perspektiven und Entwicklungsoptionen aufzuzeigen.


Natürlich muss der Vorgesetzte die Selbstbeurteilung eingefordert haben. Unaufgeforderte Selbstdarstellungen verkehren den Effekt ins Gegenteil, die Atmosphäre könnte dadurch kippen. Schließlich hat zunächst der Chef das Vorrecht auf eine Leistungsbeurteilung. Wer per Eigeninitiative in diesen Hoheitsbereich eindringt, könnte sich damit unbeliebt machen.

Wenn der Chef diese Aufforderung nicht ausspricht, der Mitarbeiter aber gern eine Eigendarstellung abliefern möchte, könnte er fragen, ob diese erwünscht ist. Entscheidend für den Erfolg so einer Anfrage sind gute Argumente. Der Mitarbeiter kann verdeutlichen, dass er sich nur ergänzend zur Leistungsbeurteilung des Chefs äußern und diesem Arbeit abnehmen möchte sowie keinesfalls die Beurteilung durch den Vorgesetzten anzweifelt.

Strategie und Aufbau einer Selbstbeurteilung

Welche Strategie Sie einsetzen, hängt auch davon ab, ob Sie sich für ein Mitarbeiter- oder ein Bewerbungsgespräch selbst beurteilen. Für das Bewerbungsgespräch gilt: Nennen Sie nur wirklich belegbare Fakten. So ist es durchaus üblich, dass Vertriebler beim Einstellungsgespräch Umsatzabrechnungen ihres vorherigen Arbeitgebers mitbringen, Ingenieure können Projektentwicklungen oder gar Patente vorweisen, an denen sie mitgewirkt haben.

Im Mitarbeitergespräch hingegen dürfen Sie auch auf die Referenzen von Kollegen verweisen, die der Chef schließlich einholen kann. Dennoch stehen auch in diesem Fall konkrete Projekte im Vordergrund. Zu allgemein sollten die Aussagen niemals gehalten werden. Das bedeutet auch, dass Sie nicht etwa Ihre Gesamtleistung abstrakt würdigen: “Ich bin der Motor des Teams und habe im letzten Jahr dessen größte Erfolge angestoßen.” Selbst wenn das stimmen würde, dürfte es eine Abwehrhaltung provozieren. Sie hätten die Grenze zum Eigenlob überschritten. Überlassen Sie dieses Fazit lieber dem Chef. Versuchen Sie vielmehr,

  • Ihre wichtigsten Leistungen aufzulisten,
  • hierfür konkrete Beispiele zu nennen sowie
  • dabei absolut ehrlich zu bleiben.


Es gibt als Hilfestellung sogenannte Selbsteinschätzungsfragen. Diese beziehen sich auf einzelne Kompetenzbereiche, so die funktionale und soziale Kompetenz sowie die Entwicklungskompetenz.

Zur funktionalen Kompetenz gehören beispielsweise unterstützte oder geleitete Projekte und erreichte Ziele, zur sozialen Kompetenz der eigene Beitrag zum positiven Arbeitsklima und die eigene Kooperationsfähigkeit sowie zur Entwicklungskompetenz die Weiterentwicklung von Stärken und das Lernen aus Fehlern.

Vermeiden Sie in den Formulierungen Ihrer Selbstbeurteilung den Konjunktiv und verwenden Sie aktive Ich-Aussagen (“ich konnte den Umsatz auf … steigern”). Setzen Sie auch dosiert den durch die Psychologen Langer und Cialdini entdeckten Begründungs-Effekt ein. Schaffen Sie also Aussagen wie “ich konnte den Umsatz auf … steigern, weil ich …”. Das Wörtchen “weil” führt dazu, dass die Gesamtaussage viel eher geglaubt wird. Auf diese Weise punkten Sie bei Ihrer Selbsteinschätzung enorm.
 

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.