Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe verstärkt sich

Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe verstärkt sich

News | 16.04.2024

Obwohl die Zahl der Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe von 2006 bis 2019 stark angestiegen ist, hat sich der Fachkräftemangel in diesem Bereich verstärkt und wird wahrscheinlich weiterwachsen.

Die Kinder- und Jugendhilfe leistet einen wichtigen Beitrag zur Erziehung und Ausbildung junger Menschen und begleitet sie auch auf ihrem Weg von der Schule zur Ausbildung bis zum Beruf. Wie zuletzt eine Umfrage gezeigt hat, bewerten Jugendliche und junge Menschen die Begleitung und Unterstützung beim Übergang von Schule zu Ausbildung als besonders wichtig.

Doch es gibt eine wachsende Zahl offener Stellen im Bereich Kinder- und Jugendhilfe, die nicht mit passenden Bewerbern besetzt werden können. Das zeigt ein Bericht auf dem Portal der Kinder- und Jugendhilfe.

Sozialarbeiter und Erzieherinnen dringend gesucht

In den aktuell 38.785 Jugendhilfeeinrichtungen in Deutschland fehlt es an Personal: In der Sozialarbeit lag die Zahl offener Stellen Stand August 2022 bei 20.600, bei Erzieherinnen und Erziehern gab es mit 20.500 offenen Stellen fast genauso viele.

Laut Zahlen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) vom Juni 2023 konnten im Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung 56,4 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden.

Ursachen

Die Ursachen für den Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe sind vielfältig. Ein wichtiger Grund ist die vergleichsweise geringe Entlohnung für Jobs im Sozialbereich bei gleichzeitig hoher Arbeitsbelastung. Die Gehälter in der Kinder- und Jugendhilfe bei freien Trägern liegen noch immer häufig unter den Tariflöhnen der öffentlichen Träger. Für Berufseinsteiger und Arbeitsuchende sind solche Jobs daher wenig attraktiv. In der Folge übersteigt die Abwanderung von Arbeitskräften die Zahl der Einsteiger in diesem Bereich.

Der demographische Wandel sorgt für eine zusätzliche Verschärfung der Situation. Weil viele der sogenannten Babyboomer aus den geburtenstarken Jahrgängen in den kommenden Jahren in den Ruhestand wechseln werden, verliert der Arbeitsmarkt wertvolle Mitarbeiter. Der Geburtenrückgang der späteren Jahre führt dazu, dass weniger Menschen nachrücken.

Fachkräftemangel verstärkt die Belastung für die Beschäftigten

Sicherlich eine der Hauptursachen für den sich verstärkenden Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe ist die hohe Belastung der bereits in diesem Bereich tätigen Menschen. Das Zusammentreffen ansteigender Fallzahlen mit einem ohnehin bestehenden Mangel an Personal führt dazu, dass die Beschäftigten immer häufiger an ihre Grenzen stoßen. Die Fürsorgearbeit, die häufig aus Unterstützung, Beratung und Trösten besteht, birgt ein besonderes Erschöpfungspotential und ein erhöhtes Risiko für Burnout. Das geht aus der Studie „Professionelle Krise nach Corona? Steuerungsbedarf in der Sozialen Arbeit nach der Pandemie“ hervor, die im November 2022 von der Hochschule Fulda gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di durchgeführt wurde. In dieser Studie gaben 77,2 Prozent der Befragten an, nicht bis zur Rente in der sozialen Arbeit tätigt bleiben zu wollen. 42,4 Prozent der Befragten verzichten regelmäßig auf ihre gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen. Zusätzlichen Druck übt das Spannungsfeld zwischen fehlenden finanziellen Möglichkeiten und den fachlichen Ansprüchen und Anforderungen aus. Hinzukommen Dokumentations- und Zeitdruck und fehlende Spielräume für Reflexion und Supervision. Budgetkürzungen durch die Politik tun ihr Übriges zur Verschärfung der Situation.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe

Um dem Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe entgegenzuwirken, sind verschiedene Maßnahmen denkbar. Weil die Nachfrage sehr wahrscheinlich nicht über inländische Arbeitskräfte gedeckt werden kann, bedarf es der Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Dazu wurde vom Bundestag im Juni 2023 das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung beschlossen. In diesem Gesetz werden Lehr- und Erziehungskräfte im schulischen und außerschulischen Bereich explizit als Engpassberufe genannt, die für die „Blaue Karte EU“ in Frage kommen.

Zudem kann man seit dem Jahr 2020 für die Ausbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin das sogenannte Aufstiegs-BaFög beantragen. Damit soll der Einstieg in die Ausbildung erleichtert und diese attraktiver gestaltet werden.

Von Seiten der Arbeitgeber sind ebenfalls zusätzliche Anstrengungen nötig. Sie müssen die Jobs im Bereich Soziales und Erziehung attraktiver gestalten, sei es durch eine bessere Bezahlung oder durch mehr Flexibilität im Arbeitsalltag. Dazu gehören zum Beispiel die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice, die Berücksichtigung der Wünsche der Arbeitnehmer bei der Einteilung von Schichten und Dienstplänen sowie flexible Arbeitszeitmodelle wie zum Beispiel Gleitzeit.

Eine besondere Entlastung für die Beschäftigten wird sich dann ergeben, wenn es tatsächlich gelingen wird, zusätzliches Personal zu gewinnen.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.