Kein Abschlusszeugnis: Hindernis für einen erfolgreichen Ausbildungsweg?
In Deutschland besteht eine Schulpflicht und jeder Schüler muss mindestens neun Jahre im Primar- sowie im Sekundarbereich absolvieren. Eltern betonen immer wieder, wie wichtig es ist, sich in der Schule ausreichend anzustrengen, denn gute Noten sind schließlich wichtig, um in einen zukunftssicheren Ausbildungsberuf einsteigen zu können. Die meisten Ausbilder auf dem Arbeitsmarkt setzen nämlich zumindest einen Hauptschulabschluss, besser noch einen Realschulabschluss (Mittlere Reife), eine Fachhochschulreife oder eine allgemeine Hochschulreife (Abitur) voraus. Bedauerlicherweise endet die Schulzeit aber nicht für jeden Jugendlichen mit einem Abschluss.
Auf dem Lehrstellenmarkt ist es nicht immer ganz einfach, denn insbesondere Ausbildungsstellen in beliebten Bereichen sind häufig stark umkämpft. Ohne einen Abschluss ist es noch schwerer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, allerdings nicht unmöglich, denn Arbeitgeber achten nicht nur auf den Notendurchschnitt der Bewerber. Im Folgenden erfährst Du mehr über Deine Chancen auf eine Ausbildung ohne Schulabschluss.
Ohne Schulabschluss eine Ausbildung beginnen
Es gibt verschiedene Gründe, weshalb einige Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss verlassen. So kann eine fehlende Motivation eine Rolle spielen oder auch Probleme mit den Lehrern. Du stellst Dir in einem solchen Fall vermutlich die Frage, ob ein Ausbildungsbeginn auch ohne einen Schulabschluss möglich ist. Die Antwort lautet: Ja! Lass den Kopf daher keineswegs hängen, denn mit ausreichend Fleiß und Leistungsbereitschaft kannst Du mit und auch ohne Schulabschluss einen passenden Wunschberuf für Dich finden.
Eine Studie hat sich mit dem Bildungsstand in Deutschland auseinandergesetzt und die Verteilung der Bevölkerung nach Schulabschluss im Jahr 2022 abgebildet.
-
2022 verfügten 24,2 Prozent der deutschen Bürgerinnen und Bürger ab dem 15. Lebensjahr über einen Hauptschul- bzw. Volksschulabschluss.
-
23,9 % hatten einen Realschulabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss erworben.
-
36,7 % hatten die Fachhochschul- oder die Hochschulreife erworben.
-
4,9 % haben jedoch ohne einen allgemeinen Schulabschluss die Schule verlassen.
Auf der einen Seite ist aus wirtschaftlichem Gesichtspunkt die Qualifikation der Bevölkerung von zentraler Bedeutung, denn sie hat eine positive Auswirkung auf die Leistung der Volkswirtschaft. Auf der anderen Seite verbessert ein hoher Bildungsstand die Möglichkeiten des Einzelnen auf dem Arbeitsmarkt und somit die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Wege zu Ausbildungen ohne Schulabschluss
In der Regel ist ein Hauptschulabschluss wichtig, um einen der zu vergebenden Ausbildungsplätze zu bekommen. Es gibt jedoch auch viele Ausbildungsberufe, die Du ohne einen Schulabschluss erlernen kannst. Wenn es Dir gelingt, mit Deinem Know-how und gleichzeitig mit Deinem Charakter sowie persönlichen Skills zu überzeugen, steht Deiner erfolgreichen Ausbildung nichts mehr im Weg. Die folgenden Möglichkeiten stehen Dir dabei zur Verfügung:
Den Schulabschluss nachholen
Bekanntlich ist ein Schulabschluss nicht der einzige Garant für beruflichen Erfolg. In unserer heutigen Gesellschaft wird er aber als notwendiger Schritt auf dem Weg zu verschiedenen Ausbildungen und somit zu einer erfolgreichen Karriere angesehen. Für viele Menschen ist somit ein guter Schulabschluss der Schlüssel zu einer besseren Zukunft, doch leider hat nicht jeder die Möglichkeit, die Schulausbildung auch zu beenden. Einige brechen die Schule aufgrund persönlicher Schwierigkeiten ab, wiederum andere müssen die Schule aus familiären Gründen verlassen. Ganz egal, welcher Grund auch dahintersteckt: Es gibt verschiedene Maßnahmen, um den Schulabschluss nachzuholen, so beispielsweise durch eine örtliche Abendschule.
Job ohne Ausbildung
Es gibt verschiedene Jobs, die ohne einen Schulabschluss auskommen. Insbesondere in den Branchen, in denen händeringend nach Arbeitskräften gesucht wird, stehen Deine Chancen sehr gut. Der Nachteil ist hier allerdings, dass die Vergütung nicht so hoch ausfällt wie bei einem Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Auf die Jahre gesehen und vor allem für die Altersvorsorge macht sich das deutlich bemerkbar.
Nichtsdestotrotz ist ein Job ohne Ausbildung ein guter Einstieg ins Berufsleben. Sofern Dir der Job Freude bereitet, solltest Du Dir darüber Gedanken machen, ob eine Ausbildung in diesem Bereich in Betracht kommt. In Deinem Lebenslauf führst Du schließlich alle Jobs auf, die Du bereits erfolgreich ausgeübt hast. Das sorgt zum einen für einen lückenlosen CV und fördert zum anderen Deine Chance auf die Ausbildung.
Bewerbung um eine Ausbildung
Du solltest Dich fristgerecht auf einen Ausbildungsplatz bewerben, um Dein Engagement und Dein Organisationstalent unter Beweis zu stellen. Bei dem Ausbildungsberuf, auf den Du Dich bewerben möchtest, kann es sich um einen Job handeln, der keinen Schulabschluss voraussetzt. Sei aber mutig und bewirb Dich ruhig auch auf einen Ausbildungsberuf, der zum Beispiel einen Hauptschulabschluss erfordert. Wenn Du in Deinem Lebenslauf mit anderen Eigenschaften punktest, hast Du im anschließenden Vorstellungsgespräch die Möglichkeit, mit Deiner Persönlichkeit, Deiner Lernbereitschaft sowie Deiner Eigeninitiative zu überzeugen.
Zusatzkenntnisse, Praktika und Skills für eine zukünftige Berufsausbildung
Bestimmte Kenntnisse erhöhen Deine Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Hierzu gehören zum Beispiel:
-
Photoshop-Kenntnisse
-
Kenntnisse in TYPO3, WordPress o.ä.
-
Fremdsprachen
-
Word-, Excel- oder Power-Point-Kenntnisse.
Eine gute Möglichkeit, einen Ausbildungsbetrieb von sich zu überzeugen, sind Praktika. Während eines Praktikums sammelst Du bereits erste wertvolle Berufserfahrungen in verschiedenen Bereichen. Ein gutes Praktikumszeugnis ist gleichzeitig ein Nachweis für Deine Leistungen.
Auch Soft Skills können Dich von anderen Bewerbern unterscheiden und einen guten Eindruck machen. Hierzu gehören zum Beispiel:
- Pünktlichkeit
- Zuverlässigkeit
- Anpassungsfähigkeit
- Flexibilität
- Stressresistenz
- Geduld
- Ausdauer
- Integrität
- Ehrlichkeit
- Kommunikationsfähigkeit
- Eigeninitiative
- Leistungsbereitschaft.
Tipp: Grundlegend wichtig ist in jedem Beruf ein sicheres und gepflegtes Auftreten. Darüber hinaus solltest Du Dich interessiert zeigen und Dich im Vorfeld gut über den Beruf sowie den Ausbildungsbetrieb informieren.
Wenn es um den Einstieg in Ausbildungsberufe geht, spielt auch Dein eigenes Netzwerk aus ehemaligen Kollegen oder Bekannten eine große Rolle. Gute Kontakte können zum Beispiel beim Vorgesetzten ein gutes Wort für Dich einlegen.
Tipp: Frage Deine Freunde und Verwandte, ob Sie unter Umständen jemanden kennen, der einen Betrieb hat und Auszubildende sucht, auch solche, die keinen Abschluss vorweisen können.
Nutze in jedem Fall die Zeit, in der Du ohne Anstellung bist, um Deine Fähigkeiten noch weiter auszubauen.
Ausbildungsvorbereitende Maßnahmen
Ist ein Nachholen des Schulabschlusses nicht möglich, so kannst Du verschiedene berufsvorbereitende Maßnahmen starten, um Dir gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu sichern:
-
Initiativbewerbung für Ausbildungen
Möglicherweise hast Du bereits durch ein Praktikum in der Schule schon einen Einblick in ein Unternehmen gewinnen können und dort gute Erfahrungen gesammelt. Vielleicht konntest Du die Vorgesetzten mit Deinem Wissen und Deiner Persönlichkeit überzeugen. Nutze diese positiven Eindrücke und schicke dem Unternehmen eine Initiativbewerbung mit dem Hinweis, dass Du den Betrieb bereits kennst. Im besten Fall wird sich der zuständige Ansprechpartner an deine Arbeit erinnern und Dir die Chance auf eine Ausbildung ermöglichen.
-
Einstiegsqualifizierung (EQ)
Bei der betrieblichen Einstiegsqualifizierung handelt es sich um eine Art Praktikum, das in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten absolviert werden kann. Das Ziel der Einstiegsqualifizierung ist, Dich auf die Ausbildung vorzubereiten. Während des Praktikums erhältst Du eine Vergütung vom Unternehmen, die von der Agentur für Arbeit bezuschusst werden kann. Im Idealfall kannst Du Dir sogar die EQ-Zeit auf die Ausbildungszeit anrechnen lassen
-
Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB)
Wer nicht mehr schulpflichtig, kann dieses Angebot von der Agentur für Arbeit in Anspruch nehmen. Während der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme bekommst Du Unterricht und kannst auch Berufspraktika nutzen, um in diverse Unternehmen hineinzuschnuppern. In der Regel erstreckt sich die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme über 10 Monate. Unter bestimmten Bedingungen kannst Du sogar Deinen Hauptschulabschluss während der Maßnahme nachholen und auf diese Weise mit den besten Voraussetzungen direkt in die Ausbildung starten.
-
Berufsvorbereitungsjahr (BVJ)
Bist Du noch schulpflichtig und bislang weder einen Schulabschluss erworben noch einen Ausbildungsplatz gefunden hast, kannst Du an einer Berufsschule ein sogenanntes Berufsvorbereitungsjahr absolvieren. Über diverse Praktika lernst Du unterschiedliche Berufsfelder näher kennen und erwirbst auf diese Weise ein berufliches Basiswissen. So kannst Du Dich orientieren und gezielt auf Deine Ausbildung vorbereiten. Das BVJ variiert von einem Bundesland zum nächsten. Aus diesem Grund solltest Du Dich im Vorfeld gut informieren.
-
Berufsgrundbildungsjahr (BGJ)
Ein Berufsgrundbildungsjahr vermittelt Dir an einer berufsbildenden Schule Grundkenntnisse zu einer Auswahl bestimmter Berufsfelder. Abhängig von der gewählten Richtung gilt es als erstes Ausbildungsjahr. Aus diesem Grund solltest Du Dir im Klaren sein, welcher Beruf für eine duale Ausbildung für Dich infrage kommen könnte.
Welche Branchen & Berufe bieten auch ohne Abschluss gute Perspektiven?
Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass nicht jeder Beruf ohne einen entsprechenden Schulabschluss erlernt werden kann. Nicht jede Branche gibt Bewerbern ohne eine abgeschlossene Mittel- oder Realschule eine Chance. Es gibt jedoch auch Branchen, die Schulabgängern ohne Abschluss offenstehen und den Start in eine gute Karriere ermöglichen.
Hier findest Du eine Auflistung, welche Berufe ohne Schulabschluss möglich sind:
Berufsmöglichkeiten auf dem Bau, im Handwerk & Gartenbau
- Dachdecker
- Maurer
- Gebäudereiniger
- Gleisbauer
- Straßenbauer
- Asphaltbauer
- Kanalbauer
- Rohrleitungsbauer
- Drechsler
- Fahrzeuglackierer
- Glaser
- Tischler
- Zimmerer
- Zweiradmechaniker
- Gärtner
- Florist
- Forstwirt
- Landschaftsgärtner
Berufsmöglichkeiten in der Gastronomie und im Hotel
- Koch
- Bäcker
- Konditor
- Restaurantfachmann
- Systemgastronom
Berufsmöglichkeiten in der Logistik
- Berufskraftfahrer
- Paketfahrer
- Verpacker in Logistikzentren
Berufsmöglichkeiten im Handel
-
Verkäufer
Berufe in der Pflege und in der Hauswirtschaft
- Pflegehelfer
- Hauswirtschafter
- Betreuungspersonen
- Kinderpfleger
- Sozialassistent
- Altenpfleger
Berufsmöglichkeiten in der Branche Mode & Lifestyle
- Kosmetiker
- Mode- und Textilschneider
- Friseur
Ausbildung ohne Schulabschluss: Tipps für die Bewerbung
Um die Chance auf eine erfolgreiche Einstellung zu erhöhen, sollten Bewerber ohne einen Schulabschluss einigen Punkten besondere Beachtung schenken:
Die richtige Bewerbung
Ganz egal ob mit oder ohne Schulabschluss: Das Bewerbungsschreiben sollte immer absolut fehlerfrei und professionell sein. Überlege Dir gute Argumente, warum Dir das Unternehmen eine Chance geben sollte, verzichte dabei aber unbedingt auf „Mitleidsargumente“. Sprich beispielsweise gezielt Deine Stärken an, doch denke auch immer daran: Das, was Du versprichst, solltest Du auch immer einhalten können.
Praxiserfahrung
Praktische Erfahrung ist immer ungemein wertvoll. Insbesondere in handwerklichen Berufen kannst Du damit überzeugen! Verdeutliche in Deinem Anschreiben, was Du bislang schon gemacht hast. Erkundige Dich auch nach einem Praktikum im Unternehmen, bei dem Du Deine Fähigkeiten unter Beweis stellen kannst.
Motivation
Einige Unternehmen assoziieren einen fehlenden Schulabschluss automatisch mit einer mangelnden Motivation. Zeige dem entsprechenden Unternehmen, dass das Gegenteil der Fall ist und Du richtig Lust auf die Ausbildung hast. Am besten solltest Du den Verantwortlichen anrufen und um einen persönlichen Gesprächstermin bitten.
Kleinere Unternehmen
In zahlreichen Branchen gibt es einen eklatanten Fachkräftemangel – und darunter leiden insbesondere kleine Betriebe. Sie suchen häufig händeringend nach Auszubildenden. Erkundige Dich daher auch bei kleinen Ausbildungsunternehmen aus Deiner Region.
Umfassende Recherche vor der Bewerbung
Recherchiere im Internet nach Insidertipps.
- Welche Betriebe sind offen für Auszubildende ohne einen Abschluss?
- Wo trifft eine Bewerbung unter Umständen auf taube Ohren?
- Rufe auch in Betrieben an, die Dich interessieren und erkundige Dich telefonisch, ob Du Deine Bewerbungsunterlagen einschicken darfst. In einem persönlichen Gespräch kannst Du positiv auf Dich und Deine Fähigkeiten aufmerksam machen und auf diese Weise einen bleibenden Eindruck hinterlassen – trotz eines fehlenden Abschlusszeugnisses.
- Alternativ kannst Du auch bei der Bundesagentur für Arbeit recherchieren, welche Lehrstellen aktuell zu vergeben sind, die keinen schulischen Abschluss voraussetzen. Beim Jobcenter findest Du viele nützliche Informationen, die Dir einen guten Überblick über Deine Möglichkeiten verschaffen.
Fazit – ohne Schulabschluss erfolgreich in die Ausbildung starten
Ungefähr 48.000 Schüler und Schülerinnen verlassen jährlich ohne einen bestandenen Schulabschluss die Schule. Es ist nicht einfach, ohne Schulabschluss einen Ausbildungsplatz zu finden, doch es ist nicht unmöglich. Auch wenn viele Betriebe skeptisch sind, wenn sich Jugendliche ohne Abschluss bewerben, so gibt es auch viele Branchen, in denen Schulabgänger auch ohne Abschlusszeugnis Chancen haben. Bekommst Du nach der Schule nicht rechtzeitig eine Lehrstelle, kannst Du ein BVJ belegen. Ein solches Angebot richtet sich an junge Menschen, um den Zugang zu weiteren Erfahrungen zu gewährleisten. Hier absolvierst Du sowohl die bekannten Hauptfächer als auch diverse berufsbezogene Fächer.
Die Bundesagentur für Arbeit ist ein wichtiger Ansprechpartner für diverse Fragen. Finanzielle Unterstützung kannst Du durch einen Bildungsgutschein oder durch BAföG erhalten.