Verhandlungsgeschick: Die Kunst des erfolgreichen Verhandelns

Verhandlungsgeschick: Die Kunst des erfolgreichen Verhandelns

Berufsleben | 17.10.2023

Erfahren Sie, wie Sie durch souveränes Auftreten, Empathie und strategisches Vorgehen in Gehaltsverhandlungen, Konfliktlösungen und beim Akquirieren von Geschäftspartnern punkten können. Entdecken Sie die fünf Phasen des geschickten Verhandelns und warum Empathie der Schlüssel zum Konsens ist. Erfahren Sie, wie Sie mit Offenheit und Einfühlsamkeit zu überzeugenden Ergebnissen gelangen.

Verhandlungsgeschick: Das Wichtigste auf einen Blick

  • Verhandlungsgeschick ist eine Fähigkeit, die bereits in der Bewerbung oder im Vorstellungsgespräch thematisiert werden kann.
  • Wer souverän und mit dem notwendigen Maß an Empathie verhandeln kann, erweist sich in den meisten Fällen als verhandlungssicher.
  • In beruflichen Situationen wie Gehaltsverhandlungen, Konfliktlösungen oder dem Akquirieren von Geschäftspartnern ist Verhandlungsgeschick von erheblichem Vorteil.
  • Die Kompetenz des geschickten Verhandelns wird von fünf Phasen bestimmt: Zuhören, empathisches Verhalten, Beziehungsebene, Einfluss und Änderung des Verhaltens.
  • Empathie ist essentiell. Ohne Einfühlsamkeit ist keine zielführende Kommunikation und somit auch kein Konsens möglich.
  • Eine grundsätzliche Offenheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für empathisch geführte Dialoge. Beide Gesprächspartner müssen aufeinander eingehen wollen. Nur dann können sie sich am Ende auf einen Kompromiss einigen.

Was versteht man unter „Verhandlungsgeschick“?

Verhandlungsgeschick beschreibt Fähigkeit einer Person, effektiv an Verhandlungen teilzunehmen und positive Ergebnisse zu erzielen. Es umfasst eine Reihe von Fähigkeiten, die es ermöglichen, in einer Verhandlungssituation geschickt zu agieren, beispielsweise das Festlegen klarer Ziele, das Verständnis der Interessen und Bedürfnisse aller Parteien, das Erkennen von Möglichkeiten und das Finden von Kompromissen.

Ein geschickter Verhandler versteht die Dynamik einer Verhandlung und kann verschiedene Strategien und Taktiken einsetzen, um seine Ziele zu erreichen. Dazu gehören zum Beispiel die Fähigkeit, aktiv zuzuhören, Fragen zu stellen, Informationen zu sammeln, Argumente überzeugend darzulegen, emotionale Intelligenz einzusetzen, geschickt zu verhandeln und Konflikte zu lösen.

Verhandlungsgeschick ist in vielen Bereichen des Lebens wichtig, sei es in geschäftlichen Verhandlungen, beim Abschluss von Verträgen, in zwischenmenschlichen Beziehungen oder bei diplomatischen Verhandlungen. Es beinhaltet die Fähigkeit, sowohl eigene Interessen zu vertreten als auch die Bedürfnisse anderer zu berücksichtigen, um letztendlich zu einer für alle Seiten akzeptablen Vereinbarung zu gelangen. Verhandlungsgeschick ist ein wichtiger Soft Skill.

Verhandlungsgeschick im Arbeitsumfeld: Warum es so wichtig ist

Viele Jobsuchende werden im Rahmen der Bewerbung mit der Frage konfrontiert, wie gut sie verhandeln können. Diese Tatsache lässt auf die Notwendigkeit dieser Soft Skill im beruflichen Kontext schließen. Im Berufsleben gibt es viele Situationen, in denen Sie von Verhandlungsgeschick profitieren.

In der Gehalts- und Vertragsverhandlung

Gehaltsverhandlungen sind ein heikles Thema. Hier ist besonders viel Sensibilität und Überzeugungskraft gefragt.
Bewerber werden in Vorstellungsgesprächen häufig um eine Einschätzung des zukünftigen Gehalts gebeten. Deshalb ist es sinnvoll, wenn sie sich im Vorfeld über branchenübliche Tarife informiert haben. Im Bewerbungsgespräch können sie sich bei der Gehaltsfrage an diesen Daten orientieren.

Bei der Konfliktlösung im Team

Leider kommt es in der Belegschaft hin und wieder zu Auseinandersetzungen. Als Vorgesetzter oder auch Betroffener kann man empathisch intervenieren und sich um eine Lösung des Konflikts bemühen.
Beide Beteiligten sollten unabhängig voneinander zu Wort kommen dürfen. In diesem Fall sind Einzelgespräche unter vier Augen empfehlenswert.
Man darf den persönlichen Standpunkt deutlich machen, sollte aber sachlich bleiben und einen inneren Abstand zur Konfliktsituation einnehmen. Objektive Argumentationsführungen tragen zur Deeskalation bei.

Bei Verhandlungen mit Kunden oder Geschäftspartnern

Die berufliche Bindung zu Geschäftspartnern ist ein Abhängigkeitsverhältnis. Beide Beteiligte benötigen die Unterstützung ihres Gegenübers, um die jeweiligen Interessen umsetzen zu können.
Das Betonen der Vorteile für beide Geschäftspartner erzeugt ein Gefühl von Solidarität. Beide Partner verfolgen letztlich dasselbe Ziel: Sie möchten miteinander arbeiten, weil sie sich von der Zusammenarbeit höhere Einnahmen oder eine verbesserte Präsenz in der Öffentlichkeit erhoffen.

In welchen Berufen ist Verhandlungsgeschick besonders gefragt?

Verhandlungsgeschick ist besonders in folgenden Berufen von großer Bedeutung:

  • Vertrieb und Verkauf: Vertriebsmitarbeiter, Verkäufer und Account Manager müssen täglich mit Kunden verhandeln, um Aufträge abzuschließen oder bestehende Kunden zu binden. Sie benötigen Verhandlungsgeschick, um Konditionen auszuhandeln und den optimalen Deal für ihr Unternehmen herauszuholen.
  • Einkauf: Einkäufer haben es mit Lieferanten zu tun und müssen gute Konditionen bei Preis, Qualität und Lieferbedingungen aushandeln. Ohne Verhandlungsgeschick ist es schwierig, die Interessen des Unternehmens durchzusetzen.
  • Personalwesen: HR-Manager führen Gehaltsverhandlungen mit Bewerbern und Mitarbeitern. Sie müssen Faktoren wie Marktwert und Unternehmensbudget berücksichtigen. Empathie und Verhandlungsgeschick sind hier essenziell.
  • Projektmanagement: Projektleiter verhandeln laufend mit Teammitgliedern, anderen Abteilungen und externen Partnern über Ressourcen, Budgets, Termine und Umfang. Ohne überzeugendes Verhandlungsgeschick sind Projekte zum Scheitern verurteilt.
  • Consulting: Unternehmensberater müssen innerhalb und außerhalb des Kundenunternehmens verhandeln, um Projekte zum Erfolg zu führen. Ihr Geschick in Verhandlungen ist entscheidend für ihre Reputation.
  • Recht: Anwälte, Richter und Schlichter setzen Verhandlungsgeschick ein, um außergerichtliche Einigungen oder Urteile zu erzielen. Ohne Verhandlungsgeschick sind viele Prozesse aussichtslos.
  • Politik und Diplomatie: In der Politik und Diplomatie ist Verhandlungsgeschick unabdingbar, um Kompromisse und Kooperationen zu ermöglichen. Ohne Verhandlungsgeschick können keine konstruktiven Lösungen erreicht werden.

In diesen und anderen Berufen mit viel Kunden- und Partnerkontakt ist eine ausgeprägte Verhandlungskompetenz daher essenziell und ein wichtiger Erfolgsfaktor. Verhandlungsgeschick sollte daher früh trainiert und als Soft Skill kontinuierlich ausgebaut werden.

Die Komponenten von Verhandlungsgeschick

Die Kompetenz des Verhandlungsgeschicks gründet auf fünf Stufen. Sie entwickeln sich wie Phasen, die ineinander übergehen:

Zuhören

Wenn man dem Gesprächspartner aktiv zuhört, lässt man sich automatisch auf seine Gefühls- und Gedankenwelt ein. Gleichzeitig erkennt man seine Methoden der Gesprächsführung. Dieses Wissen kann für den Verlauf und den Erfolg des Gesprächs von großer Bedeutung sein.

Empathisches Verhalten

Empathie ist gleichzusetzen mit Einfühlungsvermögen. Wer sich empathisch zeigt, kann die Argumente und den Standpunkt der Gegenseite besser verstehen. Solch ein einfühlsames Verhalten kann Konfliktsituationen relativieren oder Konfrontationen sogar entschärfen. Der Stellenwert der Empathie führt uns sehr deutlich vor Augen, dass auch im Berufsleben ein gelungenes Miteinander nicht ohne Emotionen funktioniert.

Beziehungsebene

Das empathische Verhalten aus der dritten Phase ist für das Vertrauen des Gegenübers entscheidend. Spätestens jetzt erkennt der Gesprächspartner, dass beide Seiten ein gemeinsames Ziel verfolgen.

Einfluss

Die gegenseitige Einflussnahme kann als Überzeugungsvermögen bezeichnet werden. Beide Verhandlungspartner kennen die Interessen und Ziele des Anderen. Sie versuchen geschickt, ihren Gegenüber von ihrer jeweiligen Position zu überzeugen. Dies gelingt jedoch nicht ohne entsprechende Verhandlungsstrategien.

Änderung des Verhaltens

Nach dem Austausch von Argumenten soll ein Konsens gefunden werden. Beide Verhandlungspartner möchten sich schließlich einigen und einen Kompromiss finden. Die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung kann eine oder beide Parteien betreffen. Gehaltsverhandlungen sind ein geeignetes Beispiel: Die Führungskraft macht einen Gehaltsvorschlag, welcher aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation nur etwas höher ist als das bisherige Gehalt. Der Arbeitnehmer sieht dennoch eine finanzielle Verbesserung und ist mit dem Vorschlag einverstanden.

Die Bedeutung von Kommunikation und Empathie

Ohne Empathie funktioniert keine zielführende Kommunikation. Auf der anderen Seite kann man nur dann empathisch auf den Verhandlungspartner eingehen und ihm entgegenkommen, wenn beide Parteien offen miteinander sprechen.

Argumente effektiv präsentieren

Eine gelungene Argumentationsführung begünstigt den Erfolg von Verhandlungsgesprächen. Argumente werden als schlüssig bewertet, wenn man sie stichhaltig begründen kann. Zudem hat die Verwendung des Konjunktivs eine sehr entwaffnende Wirkung.

Beispiele für effektive Argumente:

  1. Die Bitte um eine Gehaltserhöhung

'Ich muss momentan viele Kosten decken. Dazu reicht mein bisheriger Lohn leider nicht aus. Ich würde mich deshalb freuen, wenn eine Gehaltserhöhung möglich wäre'.

  1. Konflikt mit einem Kollegen

'Seit einiger Zeit habe ich private Schwierigkeiten, die mir auch am Arbeitsplatz zu schaffen machen. Deshalb fühle ich mich von der Aussage, ich würde nicht gewissenhaft genug arbeiten, etwas gekränkt'.

  1. Arbeitgeber greift in einen Konflikt ein

'Ich habe gemerkt, dass die Stimmung zwischen Ihnen sehr angespannt ist. Darum möchte ich mit Ihnen Lösungsansätze erarbeiten, damit der Arbeitsalltag für uns alle in Zukunft wieder harmonischer wird. Ein positives Arbeitsklima ist schließlich nicht nur in meinem, sondern auch in Ihrem Sinne'.

  1. Verhandlungsgespräch mit einem Klienten

'Unsere Dienstleistungen bauen aufeinander auf und sind eine gute Ergänzung. Eine berufliche Partnerschaft zwischen Ihrem Betrieb und unserer Zweigstelle wäre für beide Seiten ein großer Gewinn'.

  1. Bewerbungsgespräch

'In meinem vorherigen Job war ich für die Kundenberatung zuständig. Es fiel mir besonders leicht, ihre Wünsche zu erkennen und das Beratungsangebot dahingehend anzupassen, dass es ihren Vorstellungen entspricht. Darum bin ich mir sicher, dass ich mich auch den zukünftigen Aufgaben an meinem neuen Arbeitsplatz gewachsen fühle'.

In allen beispielhaften Situationen werden die Standpunkte mit Begründungen untermauert. Sie sorgen dafür, dass die Position für den Gesprächspartner besser nachzuvollziehen ist. Die Zeitform des Konjunktivs wirkt besonders in den ersten drei Beispielen einem aufkeimenden Konflikt entgegen.

Die Bedeutung von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

Das Einschlagen eines Mittelwegs muss nicht zwangsläufig mit Abstrichen im eigenen Interessenbereich einhergehen. Oft finden die Verhandlungspartner eine Lösung, die für beide Parteien letztlich zufriedenstellender ist als die ursprüngliche Forderung.

Anpassungsfähigkeit bedeutet nicht, sich hinten anzustellen. Stattdessen sollten beide Gesprächspartner wie in einer Analyse erörtern, an welchen Punkten sich ihre individuellen Wünsche miteinander decken. Diese Schnittmenge stellt den Konsens dar. Aus ihm ergibt sich der Kompromiss, mit dem beide Beteiligte gleichermaßen einverstanden sind.

Verhandlungsgeschick (weiter-) entwickeln

Wer seine Verhandlungskompetenzen verbessern möchte, kann Seminarangebote wahrnehmen oder auf Tricks zurückgreifen, die sich im beruflichen Alltag oftmals 'ganz nebenbei' anwenden lassen. Die Übungen eignen sich für Stellensuchende in ihrer Bewerbungsphase, langjährige Mitarbeiter oder Personal in der Führungsetage.

Übungsmöglichkeiten und Tipps

Verhandlungsgeschick ist eine Fähigkeit, die kein Vorgesetzter und kein Arbeitnehmer von heute auf morgen fehlerfrei beherrscht: Sie muss erlernt werden.

  • Angehende oder auch erfahrene Führungskräfte können zum Beispiel an Coachings teilnehmen, in denen sie sich Verhandlungskompetenzen aneignen. In den Seminarstunden stellen sich die Teilnehmer eine fiktive Situation vor, welche ein solides Verhandlungsgeschick erfordert.
  • Arbeitnehmer und -geber können sich jeden Tag fünf Minuten Zeit nehmen, um Situationen rückblickend zu betrachten, in denen Verhandlungen im Mittelpunkt standen: Warum waren die Verhandlungskompetenzen in dem jeweiligen Dialog grundlegende Soft Skills? Verliefen die Verhandlungen erfolgreich? Konnte man sich auf eine Lösung einigen oder endete das Gespräch ergebnisoffen?
  • In Konferenzen oder Mitarbeitergesprächen kann man versuchen, die fünf Phasen auf den Gesprächsinhalt zu übertragen. Mit der Zeit stellt sich eine gewisse Übung ein, welche das eigene Verhandlungsgeschick prägt.
  • Feedback von Kollegen oder vom Chef öffnet die Augen. Fragen Sie ruhig direkt nach, wie Ihr Gegenüber Ihre Verhandlungskompetenz einschätzt. Möglicherweise bringt er selber ein paar Tipps mit in das Gespräch, die Ihnen nützlich sind.
  • Vor Bewerbungsgesprächen empfiehlt sich eine intensive Selbstreflexion: In welchen beruflichen Situationen musste man verhandeln? Warum kam es auf geschickte Verhandlungsstrategien an? Wie können diese Fähigkeiten im neuen Job eingebracht werden?
  • Im Bewerbungsgespräch nimmt man auf diese Erfahrungswerte Bezug, sofern der zukünftige Arbeitgeber das Gespräch darauf lenkt. Ehrlichkeit zum Gegenüber und vor allem zu sich selbst ist das oberste Gebot: Als Bewerber darf man zugeben, in manchen Stresssituationen gelassener und verhandlungssicherer werden zu wollen. Auf diese Weise signalisiert man Motivation und zeigt sich engagiert. Beide Eigenschaften kommen beim neuen Arbeitgeber positiv an.
  • Diese wertvollen Tipps sind praxisnahe Übungseinheiten, welche dem eigenen Verhandlungsgeschick zum Feinschliff verhelfen. Allerdings kommt es auch hier wieder auf Geduld mit sich selbst und mit dem Gegenüber an.

So zeigen Sie Ihr Verhandlungsgeschick im Bewerbungsprozess

In den Bewerbungsunterlagen dürfen Jobsuchende durchaus auf ihre Skills hinweisen. Die Fähigkeit zur Empathie oder eine ausgeprägte Resilienz sind in allen Berufsbildern von Vorteil.

Gleichzeitig sollten Bewerber darauf eingestellt sein, dass sie im Vorstellungsgespräch auf ihre Kompetenzen angesprochen werden. Sachliche Argumente sind als Antworten immer eine gute Methode, um das eigene Verhandlungsgeschick in das Bewerbungsgespräch mit einfließen zu lassen.

Kritische Nachfragen oder 'provokante' Aussagen von Arbeitgebern sind nicht persönlich zu nehmen. Sie beziehen sich ausschließlich auf das Verhandlungsgeschick des Bewerbers und keinesfalls auf seine Person. Auch in solchen Situationen sollte man unbedingt Ruhe bewahren.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.